Wikifolio - Demokratisierung der Geldanlage oder Eldorado für Zocker?
Diejenigen unter Euch, die schon länger meinem Blog folgen, haben vielleicht schon mitbekommen, dass ich mich derzeit intensiv mit der Wikifolio-Plattform und anderen innovativen Lösungen zur Geldanlage beschäftige. Wikifolio ist eines der erfolgreichsten europäischen FinTech-Unternehmen, eine kurze Einführung in die Plattform findet Ihr hier.
Ich bin ein großer Fan und überzeugter Nutzer der Wikifolio-Plattform - und zwar sowohl auf der Anleger- als auch auf der Anbieterseite. Aber ich habe zunehmend Sorge, dass Wikifolio mit steigender Popularität immer mehr zum Eldorado für all die Zocker und Spielernaturen wird, welche die Börse mit dem Spielkasino verwechseln. Das würde natürlich dem zarten Pflänzchen der Aktienkultur im deutschsprachigen Raum mehr schaden als nutzen - und das, obwohl Wikifolio sich doch eigentlich die Demokratisierung der Geldanlage auf die Fahnen geschrieben hat.
Die Zocker auf Wikifolio
Tatsächlich hat es in der jüngeren Vergangenheit einige Beispiele gegeben, in denen Anleger viel Geld verloren haben durch die verantwortungslosen Strategien von einzelnen Wikifolio-Verwaltern. Ein gutes Beispiel dafür ist das IREX-wikifolio. Mit diesem wikifolio waren von einem "Medienunternehmen" seit dem Start Anfang 2016 bis zum Juli 2017 in der Spitze sagenhafte 2600% Gewinn mit einem hochriskanten kurzfristigen Tradingsystem erwirtschaftet worden. Dann kam der Absturz und das IREX-wikifolio hat innerhalb der letzten Monate 99% des Kapitals verloren. Die mit IREX praktizierte Anlagestrategie hat natürlich nichts mit einem seriösen Investmentansatz zu tun, sondern ist nichts anderes als Zocken mit dem Geld von unbedarften Anlegern. Leider hatten diese - angelockt von der Aussicht auf den schnellen Profit - erhebliche Summen in IREX investiert.
Schnelles Geld gemacht hat neben einigen glücklichen Anlegern, die rechtzeitig vor dem Absturz ausgestiegen sind, leider auch der Anbieter des IREX-wikifolios, der über seinen Anteil an der Performancegebühr am zwischenzeitlichen Anstieg ordentlich mitverdient hat.
Es gibt also ganz offensichtlich neben den vielen seriösen wikifolio-Verwaltern einige schwarze Schafe, um die man einen großen Bogen machen sollte. Die Macher von Wikifolio sind aufgerufen, die Plattform so weiterzuentwickeln, dass es zukünftig für die schwarzen Schafe uninteressant wird, auf der Plattform zu handeln.
Das Management von Wikifolio dürfte hochgradig alarmiert sein. Denn letztendlich wird durch solche Vorkommnisse die öffentliche Wahrnehmung und das Image der gesamten Plattform leiden.
Das Risiko einschätzen und vergleichen
Bisher war es für unerfahrene Anleger leider nicht einfach genug, aus der Vielzahl der wikifolios die nachhaltig Erfolgversprechenden und Seriösen auszuwählen. Ich hatte ja schon mit den folgenden beiden Artikel versucht, Euch dabei etwas zu helfen. (Bitte unbedingt zur Einführung in das Thema lesen falls noch nicht geschehen... ;-)
Neue Risikokennzahlen
Leider war bisher insbesondere die Einschätzung des Risikos eines wikifolios nicht ganz einfach und mit einigem Aufwand verbunden. Das hat glücklicherweise auch das Wikifolio Management erkannt und man hat nun entscheidende Verbesserungen vorgenommen: so wurden aktuell zwei Risikokennzahlen neu eingeführt, mit denen Du nun das Risiko eines wikifolios besser einschätzen kannst:
1. Der Risiko-Faktor
Der Risiko-Faktor zeigt das Kursschwankungsrisiko eines wikifolios an. Hierfür wird die erwartete Schwankung der Wertentwicklung (Volatilität) eines wikifolios mit der durchschnittlichen Volatilität aller Eurostoxx 50 Aktien verglichen.
Ein Wert von 1x bedeutet also, dass ein wikifolio genauso stark schwankt wie eine durchschnittliche europäische Standardaktie. Je deutlicher dieser Risiko-Faktor unter 1x liegt, desto weniger heftig sind die zu erwartenden Kursausschläge des wikifolios.
Details zum Risiko-Faktor gibt es hier.
Nachteil: für viele der risikoreicheren wikifolios ist leider kein Risiko-Faktor verfügbar, da dieser nicht berechnet werden kann falls ein wikifolio z.B. Hebelprodukte enthält.
Mein Tip: Investiere grundsätzlich nur in wikifolios, deren Risiko-Faktor verfügbar und deutlich kleiner als 1 ist.
Damit schliesst Du zwar auch einige der seriösen und guten wikifolios aus, aber es ist wohl für unerfahrene Anleger die einfachste Methode, auf Nummer sicher zu gehen.
2. Die Liquidationskennzahl
Noch wichtiger als den Risikofaktor finde ich die Einführung der sogenannten Liquidationskennzahl. Mit dieser Zahl kannst Du wikifolios in Bezug auf die Handelbarkeit der im wikifolio enthaltenen Wertpapiere vergleichen.
Ein sehr kleiner Wert möglichst nahe 0 ist hier ein guter Wert. 0,0 bedeutet, dass die Wertpapiere im wikifolio keinerlei Auswirkungen auf den Börsenkurs haben - auch bei einem sofortigen Verkauf aller Positionen.
Die Details zur Liquidationskennzahl findest Du hier.
Ich hatte Euch ja in meinen 5 Tips zum erfolgreichen Investieren in wikifolios dazu geraten, diejenigen Wikifolios zu meiden, welche marktenge Wertpapiere handeln. Jetzt macht es Dir die neu eingeführte Liquidationskennzahl sehr einfach, dieses Risiko zu erkennen.
Mein Tip: Investiere nur in wikifolios, deren Liquidationskennzahl kleiner als 0,3 ist. Je kleiner desto besser. Sehr bedenklich und absturzgefährdet sind m.E. wikifolios mit einer Liquidationskennzahl von größer als 1.
Wie sehen diese Risikokennzahlen bei mir aus?
Ich verzichte in meinen eigenen wikifolios High-Tech Stock Picking und Stock Picking nach Peter Lynch grundsätzlich auf marktenge Nebenwerte. Die Liquidationskennzahl beträgt daher wenig überraschend jeweils 0,0. Der Risiko-Faktor liegt bei meinen beiden wikifolios derzeit zwischen 0,5x und 0,6x. Damit sind beide ordentlich diversifiziert und sollten auch zukünftig weniger stark schwanken als eine durchschnittliche Einzelaktie.
Mein Fazit
Die beiden neuen Risikokennzahlen machen es jetzt auch unerfahrenen Anlegern wesentlich einfacher, das Risiko eines wikifolios besser einschätzen zu können. Ob das allerdings helfen wird, alle schwarze Schafe von der Wikifolio-Plattform zu vertreiben, möchte ich bezweifeln. Diese werden immer wieder mal kurzzeitig erfolgreich sein, solange gierige Anleger auf der Suche nach dem schnellen Geld sind. Das gibt es jedoch an der Börse grundsätzlich nicht zu verdienen - daran wird auch die innovative Wikifolio-Plattform nichts ändern.
Noch mehr Infos rund um die Risikokennzahlen auf Wikifolio findest Du auf dem Covacoro-Blog von Hans-Jürgen Thees.
Die alternative Schweizer Asset-Management-Plattform INVESTORY versucht, schwarze Schafe von vornherein auszuschliessen, indem "ausschliesslich Profis zugelassen sind, welche eine entsprechende Regulierung vorweisen können oder aber mindestens 10 Jahre als Portfolio-Manager, Aktienanalyst oder vergleichbares tätig waren".