Stefan Waldhauser

18. Juni 2023

Ist das Stock-Picking von Nebenwerten überhaupt noch sinnvoll?

Seit 6 Jahren versuche ich Woche für Woche, spannende Investmentideen für ausgewählte kleinere und mittelgroße Technologie- und Wachstumsaktien auf diesem Blog mit Euch zu teilen.
 

Seit dem Start in 2016 konnte ich bis 2020 mit meinem investierbaren Musterdepot eine deutliche Outperformance gegenüber der Technologiebörse Nasdaq erzielen. Doch der Erfolg seit 2021 bis heute war sehr überschaubar - um es vorsichtig auszudrücken: Das auf meinen Investment-Ideen basierende High-Tech Stock Picking wikifolio hat in den vergangenen 36 Monaten 8 Prozent verloren, während der Nasdaq100 Index im gleichen Zeitraum fast 40 Prozent hinzugewonnen hat.

Dabei hat sich weder meine in den vergangenen 35 Jahren entwickelte HGI-Strategie noch mein Anlagestil in irgendeiner Weise verändert. Der Grund für die zuletzt krasse Underperformance ist ganz einfach: Ich habe wie eh und je auf Big Tech weitgehend verzichtet und stattdessen Stock-Picking in der zweiten und dritten Reihe betrieben.

Solltet Ihr ebenfalls auf Nebenwerte fokussiert haben, dann hinkt Euer Portfolio mit großer Wahrscheinlichkeit dem Nasdaq 100 ebenso hinterher.

Die Big Tech Rallye

Der geschätzte US-Börsenjournalist Markus Koch hat dazu kürzlich die folgende interessante Grafik geteilt:

Quelle: Markus Koch via Facebook

Markus hat gegenübergestellt, wie sich die 7 Big-Tech-Companies Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Tesla und Meta im letzten halben Jahr entwickelt haben im Vergleich zu den anderen 493 Unternehmen im S&P 500 Index der größten US-Unternehmen.

Das Ergebnis: Ein Aktienkorb aus den 7 Tech-Riesen hat sich im Betrachtungszeitraum Ende Dez 22 bis Ende Mai 23 um 44% verteuert, während mit dem großen Rest der US Aktien aus dem S&P 500 kein Geld zu verdienen war!

Die atemberaubende Entwicklung des FANG+ Index

Ein ähnliches Bild bietet sich, wenn man die Entwicklung des NYSE FANG+ Index betrachtet. Dieser besteht aus den folgenden 10 Tech-Riesen:

Diese 10 Big Tech-Aktien aus dem FANG+ haben sich 2023 von Jahresbeginn bis zum 16. Juni (=YTD) wie folgt entwickelt:

Quelle: aktien.guide

Die Aktienkurse von Nvidia, Meta und Tesla haben sich 2023 bereits mehr als verdoppelt. Snowflake mit knapp 30% Performance und Alphabet mit knapp 40% bilden die Schlusslichter in diesem elitären Feld. Das ist eine unfassbar gute Performance der Big Tech Aktien.

Und was machte der FANG+ Index selbst?

Der FANG+ Index hat seit Jahresbeginn sage und schreibe 77% zugelegt!

Zum Hintergrund: Für die Berechnung des FANG+ Indexes werden die o.g. Aktien gleich gewichtet. Es erfolgt ein quartalsmäßiges Rebalancing.

Im gleichen Zeitraum stieg z.B. der Russell 2000 Index, der 2000 US-Nebenwerte enthält, nur um 7%.

Was ist von dieser sagenhaften Big Tech Performance zu halten?

Macht das Stock-Picking überhaupt noch Sinn, wenn doch nur die Schwergewichte steigen?

Wie immer in solchen Extremsituationen hilft ein Blick in die Historie:

Die folgende Darstellung habe ich mir von Helmut Fink aus seinem Blog-Beitrag "SmallCaps – Licht am Ende des Tunnels?" geklaut:

Die Grafik stellt auf einer Zeitachse seit 2000 anschaulich die relative Outperformance (in hellblau unterhalb der X-Achse) und Underperformance (in dunkelblau über der X-Achse) der Globalen Large Cap Aktien gegenüber den Small Caps dar.

Es wird deutlich, dass im langen Zeitraum von 2000 bis 2018 mit Large Caps gegenüber den Nebenwerten mit Ausnahme eines kurzen Zeitraums 2007/2008 keine Outperformance zu erzielen war. Im Gegenteil gab es in diesem Zeitraum eine erhebliche Outperformance der Nebenwerte (s.o.).

Seit 2018 hat sich dieses Bild komplett gedreht: Mit Ausnahme eines kurzen Zeitraums in 2020 haben die Large Caps in den letzten 5 Jahren die Nebenwerte in Grund und Boden performt.

Und diese Underperformance müssen wir Stock-Picker uns aktuell Tag für Tag beim Blick ins Portfolio anschauen.

Hätten wir doch nur vor 5 Jahren in Big-Tech investiert oder zumindest einen Nasdaq100 ETF gekauft anstatt mühsam unsere Einzelaktien zu analysieren.

Wir hätten uns nicht nur viel Mühe gespart, sondern auch noch eine wesentlich bessere Performance erzielt.

Hätte, Wenn und Aber.

Viel wichtiger als der Blick in die Vergangenheit ist der Blick auf das, was vor uns liegt.

Momentum-Trader wissen ohnehin, was zu tun ist und gehen davon aus, dass die FANG+ Werte weiter steigen... to the moon... diesmal ist alles anders...

Als fundamental orientierter Investor bin ich davon überzeugt, dass die jetzt schon extrem hohe Bewertung der Big-Tech Aktien dagegen spricht, dass dieser Trend jetzt ewig so weiter geht.

VALUATION MATTERS!

Die Bewertung des FANG+ Index

Ein Blick auf das KGV der FANG+ Aktien zeigt: Mit Ausnahme von Alphabet und Meta werden alle Tech-Riesen des FANG+ Index mit mehr als dem 30-fachen ihres Nettogewinns bewertet:

KGV der FANG+ Aktien (Quelle aktien.guide)

Blickt man statt des KGV auf die von mir bevorzugte Cashflow-basierte Bewertungskennzahl EV/FCF (hier einfach erklärt), so sieht das Bild nicht viel besser aus:

EV/FCF-Multiple der FANG+ Aktien (Quelle aktien.guide)

Insgesamt kann man sagen: Die Big-Tech Aktien sind derzeit so bewertet, als hätten diese Tech-Riesen auf Jahre hinaus allesamt eine weitere High-Growth-Phase mit hohen Wachstumsraten vor sich. Das entspricht aber trotz der ganzen AI Euphorie einfach nicht der Realität. Solch große Unternehmen haben es schon allein aufgrund ihrer schieren Größe viel schwerer, nochmals ein nachhaltig hohes Wachstum zu erreichen.

Und die Nebenwerte?

Ein weiterer Chart aus dem o.g. Beitrag zu SmallCaps von Helmut Fink illustriert, dass die relative Bewertung von Small und MidCaps im Verhältnis zu den Large Caps (hier gemessen am forward KGV) derzeit außergewöhnlich niedrig ist.

Helmut schliesst daraus, dass gerade jetzt ein attraktiver Zeitpunkt für ein Investment in Nebenwerte erreicht ist. Ich schließe mich seiner Meinung ohne Einschränkungen an und bin auch aufgrund der aktuellen Bewertungen der Aktien in meinem Portfolio selten so optimistisch.

Anders ausgedrückt: Gute Zeiten für Stock-Picker voraus!

Fazit

Ich wage auf Basis meiner 35 jährigen Börsenerfahrung auch nach den schwierigen letzten 2-3 Jahren die Prophezeihung: Es werden wieder Zeiten kommen, in denen mit den Big Tech Dickschiffen kein Blumentopf zu gewinnen ist, während ein Portfolio sorgsam ausgewählter Nebenwerte eine klare Outperformance liefert.

Wann es soweit ist?

Ich habe keine Ahnung. Bis dahin gilt es, sich in Geduld zu üben.

Zudem tröste ich mich mit einer durchschnittlichen Performance meines wikifolios von knapp 13% p.a. (nach allen Kosten) seit dem Start anno 2016. Seit Jahresbeginn hat sich das Portfolio nach dem Tech-Crash bereits um ca. 25% erholen können. Das alles ist gar nicht so schlecht.

An der Börse langfristig erfolgreich sein, das heisst auch Demut zu bewahren und nicht gierig zu werden. Eine deutlich zweistellige Rendite nach allen Kosten ist - langfristig gesehen - kein Grund zum Jammern. Ganz im Gegenteil: Das ist ein tolles Ergebnis, welches es ermöglicht, langfristig ein schönes Vermögen aufzubauen.

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