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  • Stefan Waldhauser

Gründe für den Ausstieg aus der Twilio Aktie


Kurz vor dem Jahreswechsel habe ich für mein High-Tech Stock Picking wikifolio die Aktien von Twilio fast vollständig verkauft. Ich war knapp zwei Jahre in Twilio investiert. Als ich die Twilio Investmentstory am 1. März 2018 hier im Blog erstmals vorgestellt habe, war der Anbieter von cloudbasierten Communication-Services am deutschsprachigen Finanzmarkt noch fast völlig unbekannt. Die Twilio-Aktie war zu Kursen unter 35$ zu haben. Jetzt weniger als 2 Jahre später notiert die Twilio Aktie auch nach einer starken Konsolidierung über 100$.

Twilio Chart

In meinem ursprünglichen Twilio Investment Case hatte ich für den Zeitraum 2018-2021 viel zu konservativ mit einem 30-40% Umsatzwachstum p.a. gerechnet und einen Enterprise Value (EV) von $4 Mrd. bis 2021 erwartet.

Dann ging alles viel schneller als gedacht:

Twilio ist auch dank der SendGrid-Übernahme in eine neue Größenordnung gewachsen und bringt bei einem Umsatz von gut $1,1 Mrd. in 2019 derzeit einen Enterprise Value von $12,7 Mrd. auf die Waage.

Die Akquisition von SendGrid war strategisch überaus sinnvoll, ging aber mit einer erheblichen Verwässerung der Twilio-Aktionäre einher. Die Anzahl der ausgegebenen Twilio Aktien ist in den vergangenen beiden Jahren von 93 Mio. auf 148 Mio. (geschätzt per Ende 2019) gestiegen.

Die Frage aller Fragen

Ich stelle mir bei meinen Investments grundsätzlich immer wieder (und insbesondere zum Jahresende) die Frage, ob ich eine Aktie auf dem aktuellen Kursniveau noch kaufen würde. Wenn ich diese Frage nicht eindeutig bejahen kann, dann ist die Aktie automatisch ein Kandidat für einen Verkauf.

Bei einem hochvolatilen High-Growth-Titel wie Twilio erwarte ich als Risikoprämie ein Potential für ca. 100% Wertzuwachs innerhalb von 3-5 Jahren. Ich musste mich also im Falle Twilio fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass Twilio in den kommenden Jahren einen EV von $25 Mrd. erreichen kann.

Twilio agiert mit einer relativ geringen Bruttomarge von ca. 52%. Das liegt im Geschäftsmodell begründet und wird sich zumindest kurzfristig nicht entscheidend ändern. D.h. das Potential für hohe Cashflow-Margen ist begrenzt. Das bedeutet wiederum, dass ein strategischer Käufer (in Frage kommt da z.B. Cisco) keine so hohe Bewertung ansetzen würde wie bei anderen Cloud-Software-Unternehmen, die oft mit Bruttomargen von über 80% unterwegs sind.

Ich gehe von einem fairen EV/Sales-Verhältnis von 6 aus. D.h. Twilio müsste seinen Umsatz auf über $4 Mrd. steigern, um einen Unternehmenswert von $25 Mrd. und damit ein 100% Kurspotential zu rechtfertigen. Das ist angesichts eines derzeitigen organischen Wachstums von ca. 30% zumindest ohne weiter Akquisitionen nur schwer möglich, denn es gibt auch einiges an Gegenwind auf diesem Weg:

  1. Wettbewerb: In den vergangenen Jahren agierte Twilio ohne nennenswerten Konkurrenten. Mittlerweile gibt es Alternativen wie Plivo und nexmo, die ganz aggressiv in einen Preiswettbewerb gegen Twilio eingestiegen sind.

  2. Twilio will sich vom reinen Plattformanbieter weiterentwickeln zu einem Hersteller von Applikationssoftware z.B. für Callcenter-Lösungen. Für ein solches Enterprise Software-Geschäft braucht es jedoch eine ganz andere Go-To-Market-Strategie und Vertriebsorganisation. Es sind massive Investitionen in den Vertrieb und das Marketing nötig, der prozentuale Anteil der Vertriebskosten wird wohl deutlich steigen und damit zusätzlich auf die Marge drücken.

  3. Man darf sich bei Twilio nicht täuschen lassen durch das zuletzt für das Q3 2019 berichtete 75% Umsatzwachstum. Die SendGrid Übernahme hat diese Zahlen viel imposanter aussehen lassen als sie in Wirklichkeit sind. Auch viele andere Kennzahlen wie der Rule-of-40-Score (derzeit über 70%) und die Net Retention Rate (ca. 130%) werden in den kommenden Quartalen durch die Verjährung der SendGrind-Übernahme zurückgehen. Ich halte wie auch schon in meiner Analyse aus 2018 eher ein organisches 30% Wachstum für die kommenden Jahre für realistisch.

Fazit

Ich befürchte dass die Twilio Aktie in den kommenden Quartalen nochmals unter Druck kommen könnte, sobald die Kennzahlen optisch weniger beeindruckend aussehen als zuletzt.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass es sich bei Twilio um ein erstklassiges Unternehmen mit einem visionären Gründer an der Spitze handelt, das noch viele Jahre weiter wachsen wird.

Aber zu Kursen über 100€ sehe ich aktuell kein so gutes Chance/Risikoverhältnis, welches ein weiteres Investment in die Twilio-Aktie aktuell rechtfertigen würde. Für mein High-Tech Stock-Picking wikifolio habe ich daher die dreistelligen Gewinne realisiert und werde Twilio bis auf weiteres interessiert von der Seitenlinie aus beobachten.

Einen Wiedereinstieg zu gegebener Zeit halte ich durchaus für möglich. Wenn Du auch in Zukunft Twilio gemeinsam mit mir beobachten willst, dann kannst Du hier JETZT meinen kostenlosen High-Growth-Investing-Newsletter abonnieren.

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