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Stefan Waldhauser

Die Risiken und Nebenwirkungen der Dividendenstrategie


Wenn Du diesen Blog rund um die Wunderwelt von Börse und Aktien schon etwas länger verfolgst, dann hast Du Dich vielleicht schon etwas gewundert, dass hier bislang noch überhaupt nicht von Dividenden oder der Dividendenrendite die Rede war.

Mit dieser Ignoranz der Dividende gegenüber stehe ich im deutschsprachigen Raum ziemlich alleine da.

Viele Privatanleger wollen mit ihren Aktien vor allem auch Geld in Form von Dividenden verdienen. Entsprechende Finanzblogs für diese Zielgruppe der Einkommensinvestoren sprießen wie Pilze aus dem Boden. Alleine auf den Seiten des Aktienfinders findet sich hier eine imposante Zusammenstellung von 38 solcher Blogs, die einen angeblich einfachen Weg zum passiven Einkommen mit Dividenden propagieren.

Ist die Dividende der neue Zins?

Man liest auch in den klassischen Medien immer wieder, die Dividende sei in Zeiten der Nullzinspolitik für die deutschen Sparer so etwas wie der neue Zins geworden. Passend dazu bewerben Deutschlands große Vermögensverwalter mit großem Erfolg ihre Dividendenfonds.

Die Börse Online Redaktion schrieb dazu im März 2020:

"Kein Zweifel. Wer in Aktien investiert, möchte hierzulande nicht auf seine Dividende verzichten. So ist Deutschlands populärster Aktienfonds beispielsweise ein Dividendenfonds, der 20 Milliarden Euro schwere DWS Top Dividende. Auch der vergleichbare Deka-DividendenStrategie ist stattliche acht Milliarden Euro groß. Beide Fonds investieren weltweit in Aktien, die verlässlich einen Teil ihrer Gewinne an die Aktionäre ausschütten.“

Die große Masse der deutschen Privatanleger, die direkt oder indirekt in Aktien investieren, legt also ihr Geld gerne in dividendenstarken Aktien an. Aber macht das wirklich Sinn?

Was ist die Dividendenstrategie?

Zur Erinnerung: Die Dividende ist der Teil des Gewinns, den ein Unternehmen an seine Aktionäre ausschüttet. Die Dividendenrendite errechnet sich aus dem Verhältnis der Höhe der Dividende zum Wert der Aktie. Bei einem Aktienkurs von 100€ und einer Dividende von 4€ pro Jahr errechnet sich also eine Dividendenrendite von 4% p.a.

Die Anhänger der Dividendenstrategie suchen ganz gezielt nach Aktien mit einer hohen Dividendenrendite und insbesondere nach solchen Aktien, die ihre Dividende seit vielen Jahren regelmäßig steigern.

Besonders begehrt sind bei dieser Strategie große, traditionsreiche Unternehmen, die seit vielen Jahrzehnten kontinuierlich Dividenden ausschütten. Wenn sie diese dann auch noch jährlich steigern, dann werden diese Firmen hochtrabend Dividenden-Aristrokraten genannt.

Erfahrene Dividendensparer achten vor allem auch darauf, dass die Ausschüttungsquote (das ist der Anteil am Gewinn, der als Dividende an die Aktionäre geht) nicht zu hoch ist. Denn ein Unternehmen sollte sich die Dividende auch leisten können und nicht etwa die Substanz des Unternehmens durch eine zu hohe Ausschüttung schwächen.

Wer sich von Euch für Dividendenaktien interessiert, dem kann ich die Seiten von Christian W. Röhl mit seinem Dividendenadel ans Herz legen. Warum ich ausgerechnet diesen Blog empfehle: trotz seinem Fokus auf das Thema Dividenden hat dieser Autor erkannt, das ein einseitiger Fokus auf klassische Bewertungskennzahlen wie die Dividendenrendite in die Irre führt.

Die Irrelevanz der Dividende für den Gesamtertrag

Grundsätzlich ist die Dividende neben dem Kursgewinn der Aktie tatsächlich eine weitere Möglichkeit, Geld mit Aktien zu verdienen. Der Vorteil der Dividende für unerfahrene Anleger ist, dass der Aktionär diese in regelmäßigem Abstand (meist jährlich oder pro Quartal) automatisch ausgezahlt bekommt, wohingegen der Anleger den Kursgewinn nur realisieren kann, indem er die aktive Entscheidung trifft, die Aktie zu verkaufen. Die Auszahlung einer Dividende nimmt dem Anleger also eine Verkaufsentscheidung ab. Das wird von vielen als psychologischer Vorteil empfunden.

Ein Aspekt wird dabei von unerfahrenen Anlagern jedoch gerne übersehen: die Dividende geht stets zulasten des Kursgewinns, da ja Kapital das Unternehmen verlässt. Das Unternehmen ist nach der Dividendenzahlung an der Börse weniger wert als am Tag zuvor. Am sogenannten „Ex-Dividenden Tag“ nach der Ausschüttung korrigiert deswegen der Aktienkurs des Unternehmens um den ausgeschütteten Betrag nach unten. Dieser Kursverlust wird als Dividendenabschlag bezeichnet.

Mit Blick auf den gesamten Ertrag des Investors, der aus dem Kursgewinn zuzüglich den gezahlten Dividenden besteht, ist die Dividendenauszahlung deswegen nicht wirklich relevant.

Das Problem mit der Dividendenstrategie

Meiner Meinung nach ist die Dividendenstrategie aber nicht nur irrelevant, sondern sogar gefährlich. Denn eine über lange Zeit gezahlte und im Idealfall steigende Dividende sorgt dafür, dass gerade unerfahrene Anleger das Risiko ihrer Aktienanlage ausblenden.

Diesen Dividendensparern ist der Kurs ihrer Aktien oftmals egal. Sie sind der Meinung, etwaige Kursverluste seien generell nur Kursschwankungen und sie könnten mit ihrem Investment glücklich und zufrieden sein, solange die Dividende stimmt.

Das gibt vielen Anhängern der Dividendenstrategie ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Denn manchmal zahlen auch diejenigen Unternehmen Dividenden, die sich eine Ausschüttung eigentlich gar nicht leisten können oder sollten.

In diesem Fall wird der Aktienkurs manchmal nur deswegen (noch) über Jahre hinweg einigermaßen stabil gehalten, weil sich eine attraktive Dividendenrendite errechnet.

Das große Erwachen kommt dann, wenn die Dividende nicht mehr in gewohnter Höhe gezahlt werden kann. Der Kurs bricht nach einer Dividendenkürzung oder Dividendenstreichung oftmals zusammen und wird sich auch nicht wieder nachhaltig erholen, falls der entsprechende Unternehmenswert in der realen Welt (außerhalb der Börse) nicht (mehr) vorhanden ist.

In einem Dividendendepot sammelten sich in den vergangenen Jahren oftmals die Giganten des 20. Jahrhunderts an. Das sind dann Aktien von weltweit bekannten Namen wie z.B. General Electric, Shell, HSBC oder Coca Cola.

Aber Achtung: gerade im Zeitalter der Digitalisierung geben auch große Namen aus der Vergangenheit keinerlei Sicherheit für die Zukunft. Die wenigsten Ikonen aus dem 20. Jahrhundert werden eine großartige Zukunft im 21. Jahrhundert vor sich haben.

Lebenserwartung Unternehmen

In einem früheren Beitrag vom Oktober 2019 hatte ich ausführlicher und anhand von konkreten Beispielen erläutert, warum das Buy+Hold von solchen Einzelaktien keine gute Aktienstrategie mehr ist.

Die Dividendenstrategie in der Corona-Krise

Die Welt wird im Zuge der Digitalisierung neu verteilt. Das hört sich fürchterlich pauschal und provokant an, es beschreibt aber die Realität in der wir leben. Und dieser Prozess wird durch die Corona-Krise gerade erheblich beschleunigt. Wir erleben in 2020 einen regelrechten Digitalisierungssprung.

Ein Nebeneffekt dabei: Viele traditionelle Unternehmen außerhalb der Digitalwirtschaft geraten ins Straucheln und kürzen oder streichen reihenweise ihre Dividenden. Ungefähr ein Drittel aller Konzerne im europäischen STOXX 600 Index hat die Dividende für 2020 ausfallen lassen. Ich gehe davon aus, dass es im nächsten Jahr nicht viel besser aussieht.

Für die von mir favorisierten Tech-Aktien spielt diese Dividendenflaute hingegen keine Rolle. Der Grund ist ganz einfach: die allermeisten dieser Wachstumsunternehmen zahlen grundsätzlich keine Dividende. Sogar Tech-Riesen mit Milliardengewinnen wie Facebook, Alphabet oder Amazon haben noch nie eine Dividende gezahlt.

Und das ist gut so. Denn Wachstum kostet Geld und diese Unternehmen können in aller Regel ihr Kapital in ihren Märkten sehr gewinnbringend anlegen.

Warum sollte ich mich dann über eine Ausschüttung des Eigenkapitals in Form einer Dividende freuen?

Die zusätzlichen steuerlichen Nachteilen einer Dividendenausschüttung lasse ich hier mal außen vor.

Was ist von Aktienrückkäufen zu halten?

Aktienrückkäufe sind neben Dividenden eine weitere Möglichkeit für Unternehmen, um Eigenkapital an ihren Aktionäre zurückzugeben. Im Rahmen eines Aktienrückkaufprogramms werden dabei über die Börse oder außerbörslich eigene Aktien zurückgekauft. Wenn diese dann eigezogen werden, so sinkt die Zahl der ausgegebenen Aktien und der Gewinn pro Aktie steigt, da der gesamte Gewinn ja auf weniger Aktien verteilt werden muss.

Was ich davon halte?

Besonders sinnvoll finde ich Aktienrückkäufe, wenn die am Markt erworbenen Aktien dazu benutzt werden, um Mitarbeiteroptionsprogramme zu bedienen. Dann kann der Aktienrückkauf eine gute Möglichkeit sein, um der üblichen Verwässerung der Aktionäre durch Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zu begegnen.

Auch bei einer offensichtlichen Unterbewertung der Aktie im Vergleich zum echten Wert des Unternehmens in der realen Welt (außerhalb der Börse) kann ein Aktienrückkauf in Ausnahmefällen durchaus Sinn machen.

In allen anderen Situationen sehe ich solche Aktienrückkaufprogramme jedoch sehr kritisch. Denn prinzipiell erwarte ich vom Management „meiner“ Unternehmen, dass sie das von uns Aktionären zur Verfügung gestellte Eigenkapital durch unternehmerische Aktivität auf ihren Märkten mehren.

Sie sollen den Unternehmenswert in der realen Welt (außerhalb de Börse) steigern. Der Aktienkurs wird dem echten Wert dann schon früher oder später folgen. Ich lege keinen Wert darauf, dass das Management durch wie auch immer geartetes Financial Engineering glänzt. Denn das treibt oftmals den Aktienkurs nur kurzfristig und künstlich in die Höhe. Damit ist niemandem nachhaltig gedient.

Fazit

Die Corona-Krise führt vielen Anlegern aktuell vor Augen, dass die beliebte Dividendenstrategie keineswegs so unproblematisch und krisensicher ist wie erhofft. Wer am Aktienmarkt investiert, der sollte dem Wert seiner Unternehmensanteile viel mehr Bedeutung beimessen als der gezahlten Dividende. Auch eine langfristig gesteigerte Dividende bringt wenig, wenn der Unternehmenswert parallel dazu nicht ebenfalls im gleichen Maße gesteigert werden kann.

Gerade die Einkommensinvestoren, die ihre Altersvorsorge auf Dividendenzahlungen aufbauen wollen, können jetzt in große Schwierigkeiten geraten.

Ich wage die Prognose, dass einige der Old Economy Unternehmen, die jetzt ihre Dividende gestrichen haben, sogar nie mehr eine Dividende auf dem Niveau von 2019 zahlen werden.

Das ist also kein Problem, dass Du so einfach aussitzen kannst. Es ist daher allerhöchste Zeit, die Dividendenstrategie kritisch zu hinterfragen.

Du solltest auch Wachstumsaktien bei Deinem Stock Picking nicht außen vor lassen, sofern diese für einen fairen Preis zu haben sind.

Aber was ist ein fairer Preis? Beim Investieren in Growth-Aktien gelten etwas andere Spielregeln als beim Investieren in Dividendenaktien. In einer Blogserie kannst Du hier die Grundlagen meiner High-Growth-Investing-Strategie nachlesen.

Wenn Du von mir ein wöchentliches Update rund um das Investieren in Technologie- und Wachstumsaktien erhalten willst, dann kannst Du Dich jetzt hier für meinen kostenlosen High-Growth-Investing-Newsletter anmelden.

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