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  • Stefan Waldhauser

Compass Aktie in schwerem Fahrwasser



Nach meiner verlustreichen Trennung von der Upstart Aktie in der vorigen Woche ist "nur" noch ein Sorgenkind übrig geblieben im High-Tech Stock Picking wikifolio: Die Compass Aktie.


Vor einem Jahr hatte ich mich an dem schnell wachsenden US Immobilienmakler beteiligt, der mit Hilfe seiner Technologieplattform die verkrustete Real Estate Branche disruptieren will. Hier zum Nachlesen mein damaliger Investment Case zu Compass Inc.



Der Kursverlauf der Compass Aktie ist seit dem IPO vor 18 Monaten ein einziges Desaster. Die Erstzeichner zum Ausgabepreis von 18$ (dazu gehörte auch der CEO Robert Reffkin und der Großaktionär Softbank) sitzen mittlerweile auf Buchverlusten von über 75%. Auch meine eigene Compass Position ist mehr als 40% unter Wasser.


Grund genug also mit diesem Beitrag anlässlich der nun vorgelegten Zahlen zum Q2 2022 meine Investment These kritisch zu hinterfragen.


Das schwächelnde Wachstum


Das stürmische Umsatzwachstum von Compass (2021: +73%; 2020: +56%; 2019: +170%) gehört der Vergangenheit an: Im Q2 2022 ist der Compass Umsatz von $2,0 Mrd. nur noch um magere 4% gegenüber dem Vorjahresquartal vorangekommen.


In einem schwächelnden US Immobilienmarkt wurden knapp 67.000 Transaktionen durchgeführt, das entsprach einem marginalen Wachstum von nur 2% gegenüber Vorjahr - obwohl die Anzahl der unter dem Dach von Compass tätigen selbständigen Makler ("Principal Agents") weiterhin deutlich um 22% gewachsen ist.


D.h. die immer wieder herausgehobene hohe Produktivität der Compass Makler hat im schwierigen Umfeld von steigenden Zinsen bei nach wie vor geringem Immobilien Angebot zuletzt deutlich nachgelassen. Auch die Compass Plattform kann also die eigenen Makler nicht immun gegen eine negative Gesamtmarktentwicklung machen. Was wenig verwunderlich ist...


Die eigentlich negative Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass der Compass Marktanteil im schwierigen Q2 2022 gegenüber dem Vorquartal nicht weiter gesteigert werden konnte. Zur Erklärung führt das Compass Management an, dass der für das Unternehmen wichtigste lokale Markt in Kalifornien im Q2 besonders schwach gewesen sei.


Gegenüber dem Vorjahr beträgt die Steigerung des Marktanteils noch 0,5%. Nach der neuen Berechnungsmethode der NAR (National Association of Realtors) besitzt Compass derzeit 4,6% Marktanteil.



Für mich ist die mittelfristige Entwicklung des Marktanteils eine der wichtigsten Kennzahlen bei der Beurteilung des Compass Businesses. Es ist schon erstaunlich, dass Compass in einem stark fragmentierten Markt mit weniger als 5% Marktanteil im letzten Jahr die Nr. 1 der US Maklerbranche war (gemessen am Sales-Volumen).


Verluste ohne Ende?


Im Q2 hat Compass einen Nettoverlust von $101 Mio. eingefahren, nachdem das Vorjahresquartal nahezu ausgeglichen war.


Dieser dreistellige Millionen Verlust in einem einzigen Quartal hört sich angesichts eines Cashbestandes von “nur” noch $430 Mio. per 30.6.22 zunächst mal dramatisch an.


Wenn man allerdings berücksichtigt, dass in diesem Q2 Ergebnis ca. $59 Mio. nicht cash-wirksame Aufwendungen für Aktienoptionen sowie $19 Mio. Restrukturierungskosten enthalten sind, dann erkennt man, dass die Situation nicht ansatzweise so bedrohlich ist, wie man annehmen könnte.


Umsatz- und Gewinnwarnung


Wie von mir und vielen anderen Investoren erwartet musste Compass seine Umsatz- und Ergebniserwartungen für 2022 deutlich nach unten schrauben.


Erwartet wird nach einer heftigen Umsatz- und Gewinnwarnung nun vom Unternehmen nur noch ein Umsatz von ca. $6,3 Mrd., das sind immerhin 20% weniger als die bisherigen Ziele. Für Compass bedeutet das in 2022 gegenüber 2021 bestenfalls ein Nullwachstum.


Das Management geht in seinen aktuellen Planungen davon aus, dass der US Immobilienmarkt im 2. Halbjahr 2022 um bis zu 25% einbrechen wird gegenüber dem Vorjahr. D.h. das Unternehmen muss getrieben von den schwachen Marktbedingungen nun schleunigst umsteuern und vom High-Growth-Modus wechseln in einen operativ profitablen Modus.


Viel Zeit bleibt dafür nicht angesichts der stark angestiegenen Verluste im 1. Halbjahr.


So soll der Turnaround gelingen


Schwere Zeiten erfordern entschiedene und auch unpopuläre Maßnahmen. Im Juni gab Compass bekannt, dass man 10% der Belegschaft entlassen muss, um sich an die geänderten Marktbedingungen anzupassen.


Der aktuelle Sparplan sieht vor, dass die Kostenbasis von derzeit gut $1,4 Mrd. bis Dezember um $320 Mio. reduziert wird. Das Ziel ist es, mit einer reduzierten Kostenbasis von ca. $1,1 Mrd. ins neue Jahr zu gehen. Auf dieser Grundlage soll es dann möglich sein, auch in einem weiterhin schwachen Immobilienmarkt den Cashburn zu stoppen und 2023 einen positiven Free Cashflow zu erzielen.


Compass will vor allem in zwei wesentlichen Bereichen Kosten einsparen:

  1. Investitionen in die Technologie-Plattform

  2. Verzicht auf finanzielle Incentives für die Akquisition von neuen Maklern

Was ich davon halte?


1. Kürzung der Investitionen in die Compass Technologie


Als Softwareunternehmer und Tech-Investor bin ich grundsätzlich hochgradig beunruhigt, wenn ein Unternehmen an Technologie sparen will. Allerdings haben wir es in diesem Fall eben nicht mit einem Softwareunternehmen zu tun, das seine Lösungen ständig schnellstmöglich weiterentwickeln muss, um konkurrenzfähig zu bleiben.


Compass ist vielmehr ein Maklerunternehmen, das seit 2018 eine unglaublich hohe Summe von mehr als $900 Mio. für die Entwicklung seiner End-To-End Plattform ausgegeben hat. Ab September 2022 sollen Immobilientransaktionen vom ersten Kundenkontakt bis zum Closing auf einer durchgängigen Compass Plattform d.h. ohne die Nutzung von zusätzlichen Softwaretools abgewickelt werden können.


Damit ist laut Unternehmensangaben ein Reifegrad der Compass Technologie erreicht, der es ermöglicht, die Investitionen in die Entwicklung der Plattform zurückzufahren. Ich halte das tatsächlich für plausibel. Compass hatte 2020 knapp $150 Mio. in die Entwicklung investiert und dieses Budget dann 2021 im Zuge des IPO weit mehr als verdoppelt. Falls die Software wirklich einigermaßen reif ist, dann sollte ein Zurückfahren der Entwicklerkapazität tatsächlich möglich sein, ohne die Qualität und stetige Weiterentwicklung der Software zu gefährden.


2. Verzicht auf finanzielle Incentives für neue Makler


Compass war in den vergangenen Jahren der "Rising Star" unter den eher klassisch agierenden US Maklerunternehmen. Die Anzahl der für das Unternehmen tätigen selbständigen Maklern ("Principal Agents") hat sich von 2018 bis heute von 2.700 auf 13.000 um ein Vielfaches gesteigert.


Kritiker haben dem Unternehmen in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, dass die Makler vor allem deshalb unter das Dach von Compass wechseln würden, weil sie dafür besonders attraktive finanzielle Konditionen bekamen.


Die bisher bei Compass üblichen besonderen Incentives für neue Makler (wie Mitarbeiteraktien oder Extra-Zahlungen zum Start in die Geschäftsbeziehung) sind nun Geschichte. Compass gibt auch keine im Branchenvergleich außergewöhnlich guten Konditionen mehr, sondern will die Makler zukünftig ausschließlich über den Mehrwert seiner Technologieplattform anlocken und an sich binden.


Inwieweit das gelingt, kann nur die Zukunft zeigen. Ich bin optimistisch, da die Produktivität der Compass Makler nachgewiesenermaßen wesentlich besser ist als im Branchendurchschnitt. In den kommenden Quartalen werde ich jedenfalls besonders genau beobachten, wie sich die Zahl der für Compass tätigen Makler entwickeln wird.


Gestiegene Risiken


Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sich das Risiko des Scheiterns für Compass in den letzten 12 Monaten aus meiner Sicht erhöht hat. Sollten die Makler nach Wegfall ihrer guten Konditionen jetzt in Scharen das Unternehmen verlassen, so könnte Compass in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.


Sollte der US Immobilienmarkt größere und lang anhaltende Verwerfungen aufweisen, so könnte die aktuelle Vollbremsung von Compass nicht ausreichend sein und das Unternehmen in Schieflage geraten. Dann würde eben doch eine Kapitalerhöhung zu niedrigen Kursen mit entsprechender Verwässerung der Aktionäre benötigt werden - was unbedingt vermieden werden muss.

Die Bewertung der Compass Aktie


Die Compass Marktkapitalisierung beträgt nach dem Absturz des Aktienkurses bis auf unter 4$ bei ca. 430 Mio. ausstehenden Aktien weniger als $1,8 Mrd., der Enterprise Value (hier einfach erklärt) beläuft sich auf ca. $2 Mrd.


Mit der jüngsten Gewinnwarnung wurde auch das bisherige Ziel eines Free Cashflows von $1 Mrd. bis 2025 einkassiert. Leider wurde noch kein konkretes neues Profitabilitäts Ziel ausgegeben. Bestätigt wurde lediglich das mittelfristige Free Cashflow Margenziel i.H.v. 8-9% vom Umsatz.


Ich gehe weiterhin davon aus, dass Compass diese Krise überstehen und den Cashburn 2023 stoppen kann. Bei einer früher oder später einsetzenden Erholung des US Immobilienmarktes sollte man dann weiter wachsen können.


In diesem Szenario hat die Compass Aktie mittelfristig ein dreistelliges Kurspotential. Ich bleibe daher bis auf Weiteres in Compass investiert.


Wenn Du die zukünftige Entwicklung der Compass Aktie gemeinsam mit mir weiter beobachten möchtest, dann kannst Du jetzt hier meinen kostenlosen High-Growth-Investing Newsletter bestellen.


Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzt Aktien von Compass. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.


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