Was Du über Gaming Aktien wissen solltest
Nach längerer Zeit darf ich Euch heute mal wieder einen Gastbeitrag präsentieren. Er stammt von Lukas Mehling, dem Gründer und Betreiber des erfolgreichen Blogs Gamerliebe.de. Dort schreibt er regelmäßig über große Namen aus der Videospiel-Industrie sowie weniger bekannte Studios und bewertet diese nach einem eigenen Schema. Besonders interessant für mich: Neben Testberichten von Videospielen erstellt er auch zahlreiche Beiträge zu Gaming-Aktien.
Wie verdient ein Gaming-Unternehmen Geld?
Wenn man zum Bäcker um die Ecke geht und ein Brot kauft, so erhält man dieses im Gegenzug für den Preis, den der Bäcker festlegt. Bis zum Jahr 2010 war das bei Videospielen nicht anders: Man sah ein Videospiel, kaufte es sich im Laden und bezahlte dafür eine Summe, hat das Spiel gespielt, einige gute Stunden damit verbracht und irgendwann ein neues Spiel gekauft.
Seitdem hat sich die Gaming-Branche stark gewandelt: es gibt mittlerweile zig verschiedene Möglichkeiten, wie das Unternehmen hinter den Spielen heutzutage Geld verdient. Hier zunächst ein kleiner Überblick über die verschiedenen Geschäftsmodelle für Videospiel-Unternehmen.
Das Free-to-Play-Modell
Es gibt zum einen sogenannte Free-to-play-Modelle. Das heißt, dass ein Spiel zunächst völlig kostenlos ist, der User aber im Laufe des Spiels Gegenstände kaufen kann: Auch Skins genannt. Skins haben absolut keinen Einfluss auf das Spiel an sich, ein Spieler kann dadurch keine Vorteile erkaufen und diese Skins sind komplett freiwillig zu erwerben.
Wenn Du nun denkst, dass keiner Geld für ein sinnloses, digitales Gut ausgibt, dann irrst Du Dich. Genau mit dieser Methode verdienen große Gaming-Unternehmen wie Activision Blizzard, Sony oder Electronic Arts viel Geld.
Neben Skins gibt es noch die Möglichkeit sog. Lootboxen zu erwerben. Diese Lootboxen kauft der User gegen eine Gebühr und erhält dadurch im Spiel zufällige Vorteile oder Kosmetik. Dieses Geschäftsmodell geht jedoch stark in Richtung Glücksspiel und wird daher bereits von vielen Staaten massiv eingeschränkt.
Das Pay-to-Win-Modell
Ein weiteres Modell ist der Pay-to-Win-Aspekt in Spielen. Anders als eingangs erwähnt, bekommt man hier eben doch Vorteile, wenn man bereit ist, dafür ein Betrag zu bezahlen. Man kommt im Spiel schneller voran, levelt schneller, bekommt Zugang zu exklusiven Items, die zudem noch besser sind als jene, die man ohne Geld erreichen kann.
Das gewaltige Monetarisierungspotential dieses Pay-to-Win Modells kommt vor allem auf dem Smartphone zum Einsatz. Die Menschen haben ihr Handy überall dabei - in der Schule, auf einer Zugfahrt, auf einem Geburtstag und sogar am Essenstisch wird gespielt. Kein Wunder also, dass vor allem Videospiele auf dem Smartphone bis ins kleinste Detail mit Ingame-Käufen ausgestattet werden, um das Vorankommen im Spiel zu erleichtern.
Das Games as a Service Modell
Bei einem Games as a Service Modell (GaaS) handelt es sich um ein Geschäftsmodell, bei dem der User das Spiel kauft und der Hersteller ständig neue Inhalte kostenlos zuliefert. Dadurch möchte der Hersteller die Langzeitmotivation der Spieler hoch halten und durch spannende Erweiterungen auch neue Methoden der Monetarisierung einbringen. Hier wird also regelmäßig Content nachgeschoben und es ist durchaus möglich, dass Hersteller hierbei auf Ingame-Käufe verzichten, um die Nutzererfahrung zu maximieren.
Man muss immer bedenken, dass ein GaaS-Modell auch mit mehr Entwicklungs- und Supportaufwand verbunden ist und demnach nicht jeder Hersteller diese Aufgabe erfolgreich umsetzen kann. Sony beispielsweise hat bei dem Spiel Last of Us 2 komplett auf einen Multiplayer Modus und Ingame-Käufe verzichtet und auch der Aspekt der Open World ist weggefallen. Man hat sich also auf ein Spiel fokussiert, was sich auf die Story fokussiert, wenig Fehler beinhaltet und eine gute Grafik an den Tag legt.
Sony hat damit bewiesen, dass auch solche Modelle noch immer funktionieren können. Trotzdem gibt es auch hier Gerüchte, dass Sony aus dem erfolgreichen Titel einen noch erfolgreicheren machen möchten und deshalb auch bereits ein Multiplayer Game in Planung ist.
Grundsätzlich kann man festhalten, dass ein GaaS-Modell im Wesentlichen dadurch definiert wird, dass der Hersteller ein Spiel länger pflegt, systematisch die Motivation der Spieler aufrecht erhält und dadurch - ob durch Ingame-Käufe oder anderweitig - langfristigen Umsatz daraus generieren kann.
Unterschied zwischen AAA- und Indie-Produktionen
In der Gaming-Branche wird zwischen zwei Modellen der Videospiel-Produktion unterschieden.
AAA Produktionen
Bei den AAA-Produktionen handelt es sich um Videospiele, die mit einem sehr großen Team, einem hohen Marketing-Budget und demnach mit einem sehr hohen Risiko entwickelt werden.
In der Filmbranche würde man dafür den Begriff Blockbuster verwenden. Der Vorteil an diesem Modell ist, dass die Einstiegshürde hoch und die Konkurrenz deutlich geringer ist, weil eben nicht jedes x-beliebige Studio ein derart hohes Budget aufbringen kann. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Spiel wie GTA, CyberPunk, The Witcher, Call of Duty oder Elden Ring einfach mal eben von einem kleinen Spiel mit wenig Budget des gleichen Genres verdrängt wird.
Ein AAA-Spiel ist zudem als Marke viel größer. Es ist für gewöhnlich so, dass bei einem Videospiel dieser Größenordnung das Marketing-Budget ein größerer Kostenfaktor ist als die Produktion selbst. Auf der anderen Seite kann genau das aber auch eben die ganz großen Umsätze einbringen.
Lizenzgeschäfte und Kooperationen beispielsweise lassen sich bei einem AAA-Spiel viel eher für ein Unternehmen realisieren als bei einer Indie-Produktion. So ist es nicht unüblich, dass Brettspiele wie Monopoly, Schach oder andere Merchandise-Artikel auf Basis großer Spiele angeboten werden. Hinzu kommt, dass beispielsweise Netflix vermehrt Serien zu entsprechenden Games umsetzt und auch dadurch die Beliebtheit einer Marke pusht.
Das große Risiko jedoch ist, dass eine solch teure AAA-Produktion eben auch sehr schnell das Aus für ein Studio bedeuten kann, wenn das Spiel floppt. Jeder kann sich vorstellen was passiert, wenn man 263 Millionen Dollar – so teuer waren Marketing und Entwicklung von Cyberpunk 2077 des polnischen Entwicklerstudios CD Projekt – ausgibt und diese Summe nicht im Ansatz einnimmt.
Deshalb ist meine wichtigste Kennzahl bei der Betrachtung der Aktie eines Entwicklerstudios immer der Verschuldungsgrad!
Indie-Studios
Die zweite Art der Entwicklung sind Indie-Studios, die sog. Indie-Spiele entwickeln. Anders als bei einem Blockbuster entwickelt ein Indie-Studio mit einfachen Mitteln, mit wenig Mitarbeitern und mit wenig Marketing Spiele, die dafür aber im Erfolgsfall viel bessere Margen haben.
Ein Produkt das man mit wenig Aufwand entwickeln kann und hochprofitabel ist. Klingt doch gut oder? – Aus diesem Grund versuchen es eben auch viele Unternehmen und Privatpersonen, weshalb hier der Konkurrenzdruck extrem hoch ist.
Ein Indie-Studio läuft ständig Gefahr, dass es selbst, wenn es ein gutes Spiel entwickelt, in der großen Masse anderer toller Spiele untergeht. Es gibt dennoch erfolgreiche Entwickler wie TinyBuild, Team17 oder PlayWay, die dieses Geschäftsmodell als Indie-Studio sehr professionell betreiben.
Diese Unternehmen hauen nicht ein einziges großes Spiel in mehreren Jahren raus, sondern jeden Monat mehrere kleine. Sollte ein Spiel weniger gut ankommen, so fangen die anderen günstig produzierten Spiele diesen Verlust auf.
Durch anhaltende Releases und im besten Fall durch Fortsetzungen, Erweiterungen oder Spin-Off-Titel, schaffen es auch die Indie-Studios, laufende Einnahmen zu generieren.
Ich möchte hier auf zwei erfolgreiche Studios eingehen, die beispielhaft zeigen, dass beide Modelle, AAA und Indie, wunderbar funktionieren können.
Playway
Das Indie-Studio Playway aus Polen beweist, wie man ein sehr erfolgreiches und profitables Indie-Game-Geschäftsmodell aufbauen kann. Das Studio entwickelt hauptsächlich Simulatoren-Spiele, die zwar durchaus authentisch sind, sich oftmals aber auch nicht zu ernst nehmen.
Die Grafik ist billig, die Geschichte meistens nicht wirklich vorhanden, der Preis niedrig - der Unterhaltungsfaktor trotzdem so hoch, dass die Spiele wie warme Semmel auf Steam (das ist eine Online-Vetriebsplattform für Computerspiele) gekauft werden und durchweg positive Bewertungen erhalten.
Der Blick in das Zahlenwerk ist fast zu schön um wahr zu sein. In den letzten 5 Jahren hat das Playway seinen Gewinn pro Aktie um das 19-fache gesteigert (Zeitraum 2016-2021), das Unternehmen hat obendrein quasi keine Schulden. Bei einer Eigenkapitalquote von rund 90 Prozent versteht es das Unternehmen jedes Jahr aufs Neue, Umsatz und Gewinne zu steigern und dabei keine neuen Schulden zu machen.
In der Gaming-Branche sind hohe Margen erreichbar. So ist eine Netto-Marge von 20% lediglich “ok”, 40% ist gut und in Ordnung. Alles darüber sehr gut. Playway schafft es seit Jahren, eine Nettomarge von über 60 Prozent zu erreichen. Und als wäre das nicht schon genug, bezahlt das Unternehmen eine gute Dividende.
Das Zahlenwerk sieht einfach zu gut aus. Natürlich muss man aber davon ausgehen, dass das Wachstum von zuletzt 40% pro Jahr mit wachsender Unternehmensgröße weiter zurückgeht. Es handelt sich bei PlayWay um ein kleines Unternehmen mit umgerechnet ca. €50 Mio. Umsatz und einer Marktkapitalisierung von ca. €500 Mio. handelt.
Ebenso ist es für die meisten Anleger hierzulande ein großes Problem, dass die Investorenberichte von Playway ausschließlich in polnisch verfügbar sind, weshalb man das Geschäftsmodell, die Visionen und die Prognosen vom Unternehmen nicht optimal nachvollziehen kann.
Take-Two Interactive
Nun möchte ich mit Take-Two Interactive ein Studio vorstellen, welches sogar an der Nasdaq gelistet ist und bei einer Marktkapitalisierung von fast $18 Mrd. in einer ganz anderen Liga spielt. Das Unternehmen ist in meinen Augen ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man ein erfolgreiches AAA-Geschäft aufbaut und profitabel führt.
Die Videospielserie Grand Theft Auto GTA oder Red Dead Redemption sind vielen sicherlich ein Begriff. Es ist erstaunlich wie erfolgreich vor allem GTA V zum aktuellen Zeitpunkt noch immer ist. Das Spiel wurde bereits im Jahr 2013 veröffentlicht und ist heute so erfolgreich wie nie. Das liegt vor allem daran, dass Rockstar – das Studio hinter GTA – sehr viel Service-Arbeit in Form von stetiger Verbesserung von Spielmöglichkeiten, Performance, Grafik, etc. leistet. Vor allem aber ist es die eigene Community, die das Spiel am leben erhält.
Das Spiel ist darauf ausgelegt, dass man es mit mehreren Personen spielen kann und durch Server, die jeder mieten und einrichten kann, kann jeder mit vielen anderen Menschen mit den Einstellungen spielen, die er selbst gerne mag. Auch wenn man das Spiel nicht selbst spielt, wird man auch als Zuschauer daran gebunden, wenn man beispielsweise über YouTube oder Twitch anderen beim Spielen zuschaut.
Mittlerweile spielen die größten Content Creator mit Millionen von Zuschauern und Followern GTA – entweder mit anderen großen Influencern oder eben mit ihren Zuschauern.
Ein Blick auf die geschauten Stunden auf Twitch bestätigen, meine Aussage. Zwar ist das KGV von 35 saftig, aber Take-Two hat eben auch sehr viel zu bieten. Das Ergebnis je Aktie ist von 2016 zu 2022 von 0,49 auf 3,58 Dollar gewachsen.
Take-Two ist in der Vergangenheit auch durch zahlreiche Zukäufe gewachsen. Kürzlich erst haben sie mit der Übernahme von Zynga einen der größten Videospiel-Deals der Geschichte abgeschlossen (rund 13 Milliarden Dollar).
Das Unternehmen ist in meinen Augen so gut geführt wie kaum ein anderes. Der CEO Strauss Zelnick hat Take-Two im Jahr 2001 mit seiner Investment-Firma übernommen und ist heute größter Anteilseigner. Er selbst macht seinen Gehaltsbonus vom Erfolg der Ingame-Einkäufe abhängig. Die Gewinnmaximierung steht für ihn also an erster Stelle und dass das für die Anleger ebenso von Interesse ist, wird sicherlich jeder bestätigen.
In den letzten fünf Jahren hat die Take-Two Aktie trotz der jüngsten Kursverluste ca. 70 Prozent zulegen können, was in meinen Augen eine sehr solide Rendite darstellt.
Tinybuild
Aktuell halte ich eine Position von Tinybuild. Ich habe mir von diesem Investment versprochen, dass ich mir ein noch kleines aber stabiles Unternehmen ins Depot hole, das eine sehr hohe Eigenkapitalquote besitzt und in meinen Augen trotz seiner geringen Größe (Umsatz 44 Mio. Euro) bereits jetzt große Marken vorweisen kann - also einen gewissen Burggraben besitzt.
Tinybuild ist für mich der ideale Hybrid zwischen einem AAA und einem Indie-Studio. Während es viele Titel produziert und ebenso für andere Studios diese erfolgreich vermarktet, schafft es das Studio auch immer mehr, neue Studios zu übernehmen und diese Mitarbeiter für neue, große Projekte einzusetzen.
Vor allem ihr Hello Neighbour-Franchise kann bis dato über 80 Millionen Downloads verzeichnen, hat eine eigene kleine Serie auf YouTube und erscheint mittlerweile auch in Büchern.
Der Gaming-Markt wächst mit durchschnittlich 12 Prozent pro Jahr und TinyBuild ist mit einer Marktkapitalisierung von gut 300 Mio. Euro auf jeden Fall ein sehr kleiner Player im Business.
TinyBuild befindet sich in meinen Augen in einer sehr guten Lage, die aktuellen starken Marken weiter zu entwickeln und sie mit noch mehr Budget zu entwickeln.
Ich rechne mir bei TinyBuild also ein sehr großes Chancen-Risiko-Verhältnis aus und verspreche mir vor allem ein sehr starkes Wachstum. Das Unternehmen ist bzgl. der Marktkapitalisierung sehr weit abgeschlagen von den großen Studios, obwohl es meiner Meinung nach locker vom Content mithalten kann.
Mein Fazit
Grundsätzlich kann man festhalten, dass jemand, der in ein Indie-Studio investiert, einen deutlich längeren Atem braucht und ebenso eine viel höhere Risikobereitschaft, während Anleger in große AAA-Studios eher in eine gewisse Sicherheit investieren.
Trotzdem sind auch viele großen Studios wie Ubisoft, Electronic Arts oder natürlich auch CD Projekt mit oberster Vorsicht zu genießen und so sollte man stets eine Analyse zu den Gewinnen, Margen, Schulden und vor allem Kursverlauf anstellen, um eine qualitative Gaming-Aktie zu ermitteln.
Ein wichtiger Aspekt in der Gaming-Branche ist auch, dass man sich als Gamer nicht bloß für ein Spiel entscheidet, sondern oftmals eben alles mögliche an Spielen spielt und dadurch profitieren eben der gesamte Markt, viele Studios mit ihrem Angebot.
Disclaimer: Der Autor und/oder Stefan Waldhauser und/oder verbundene Personen oder Unternehmen können Aktien der genannten Unternehmen sowie aktien.guide besitzen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
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