- Stefan Waldhauser
Warum ich keine IPO Aktien kaufe

Angesichts des sagenhaften Erfolges von Snowflake und anderer IPOs in den letzten Monaten möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, mit diesem Beitrag noch einmal einen generellen Kommentar zu meinem Umgang mit IPOs abzugeben, auch wenn ich dazu in meinem Beitrag zur Suche nach den Multibaggern schon mal kurz Stellung bezogen habe.
Wer das High-Tech Stock Picking wikifolio längere Zeit verfolgt, dem ist sicherlich schon aufgefallen, dass ich mich von IPOs zunächst fern halte. Spannende IPO Werte wandern zunächst auf meine Watchlist. Ich warte dann i.d.R. mindestens 2 Quartalsergebnisse ab, vorzugsweise mehr, aber normalerweise mindestens 8 oder 9 Monate nach dem IPO.
Dafür gibt es mehrere Gründe.
1. FOMO ist kein guter Berater
Viele Anleger wollen die nächste "heiße" Aktie nicht verpassen. FOMO - Fear of missing out. Als menschliche Wesen sind wir empfänglich für Gefühle wie Gier und Angst. Wenn so viele Experten dem Unternehmen positiv gegenüberstehen, muss es doch eine gute Investition sein, oder? Diese Einstellung ist gefährlich, denn wenn man getrieben durch FOMO mit der Herde mitläuft, dann handelt man emotional und nicht rational.
Man neigt dazu, ohne fundamentale Betrachtung der Kennzahlen und des zugrunde liegenden Geschäftsmodells Kaufentscheidungen zu treffen. Oft steigen die Kurse nach dem Kauf noch weiter und der Anleger fühlt sich bestätigt. Doch früher oder später korrigiert die heiß gelaufene IPO-Aktie oder es kommt im Falle eines Hypes / einer Blase sogar zu einem Crash.
Die folgende Grafik zeigt - sehr nett gemacht wie ich finde - die Psychologie des “typischen FOMO-Investors”.
Beispiele dafür gibt es genug. Mir fallen hier der Hype um immer neue Kryptowährungen im Jahr 2017 ein, oder auch der IPO-Boom am Neuen Markt im Zuge der Dotcom-Blase, die im März 2000 letztendlich geplatzt ist.
Das Zitat von Warren Buffett zu diesem Thema kennst Du wahrscheinlich schon:
“Be fearful when others are greedy and greedy only when others are fearful.”
2. Wie verhält sich ein Unternehmen als „Public Company"?
Es ist für jedes Unternehmen ein riesengroßer Schritt von der „Private Company“ zu einem an der Börse gehandelten Unternehmen, das quartalsweise seinen Investoren und der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen muss.
Ich möchte vor einem Investment sehen, wie sich ein Unternehmen zumindest einige Quartale lang als "Public Company" unter den kritischen Augen der Analysten in der Öffentlichkeit verhält. Wie fallen die Zahlen der ersten beiden Quartale an der Börse aus? Kann das Management in den Analystencalls überzeugen?
So manche zum IPO aufgehübschte Braut verliert da ganz schnell an Glanz.
3. Die Lock-up-Periode
Nach (meist) 6 Monaten läuft die Lock-up-Periode ab, nach der Insider und Altaktionäre ihre Aktien verkaufen können. Es ist ganz normal und verständlich, dass Gründer und vorbörsliche Investoren dann zumindest einen Teil ihrer Positionen verkaufen wollen.
Die Gründer haben meist den überwiegenden Teil ihres Vermögens in ihrer eigenen Aktie und müssen diversifizieren. Der Exit von Venture Capitalists gehört zu deren Geschäftsmodell und ist ebenfalls nicht beunruhigend.
Steigt das Angebot an Aktien am Finanzmarkt an, so drückt das auf den Kurs. Der Ablauf der Lock-up-Periode nach dem Börsengang führt daher oft zu Kursverlusten, so dass ca. 6-12 Monate nach dem IPO oftmals ein gutes Zeitfenster für Käufe sind.
Beispiel gefällig?
Shopify
Im Mai 2015 kam Shopify zu 17$ je Aktie an die Börse und wurde bereits am ersten Handelstag zu gut 25$ gehandelt. 9 Monate später war die Aktie sogar für ca. 20$ zu haben. Ich habe die Entwicklung des Unternehmens damals in Ruhe beobachtet und im November 2016 bei ca. 40$ eine Position bei Shopify aufgebaut. Die Aktie (aus der ich viel zu früh fast vollständig ausgestiegen bin - aber das ist ein anderes Thema 😉 ) steht heute mit +1.715% Performance in meinem High-Tech Stock Picking wikifolio.
Twilio
Die Twilio Aktie ist bereits am ersten Handelstag um 90% über den IPO Preis von 15$ gestiegen. Der Opening Preis lag mit 24$ deutlich höher als der ursprünglich angesetzte Preis von 15$. Nachdem der anfängliche Hype vorbei war und Twilio in der harten Realität einer Public Company ankam, war die Twilio Aktie über ein ganzes Jahr hinweg meist deutlich günstiger als direkt nach dem IPO zu haben.
Ende 2017 waren Anleger, die zum IPO investierten, mit Ihrem Investment sogar im Minus. Erst danach, ca. Anfang Januar 2018 hat die Aktie angezogen und sich seitdem zum Tenbagger entwickelt.
4. Am IPO verdienen zunächst die Banken
Ein klassischer IPO ist nicht nur ein Weg zur Eigenkapital-Beschaffung von Wachstumsunternehmen, sondern vor allem auch ein Riesengeschäft für die beteiligten Konsortialbanken.
Privatanleger haben bei attraktiven Unternehmen wie Snowflake ebenso wie kleinere institutionelle Anleger i.d.R. keinerlei Chancen zum Ausgabekurs an die meist hoffnungslos überzeichneten IPO Aktien zu kommen. Denn die Emissionsbanken zeichnen einen Großteil der auszugebenden jungen Aktien für sich selbst bzw. ihre Fonds und für ihre wichtigsten Kunden.
Banken profitieren dabei auf verschiedene Arten:
Zunächst verdienen sie am sogenannten Underwriting-Spread. Das ist der Unterschied zwischen dem Preis, welche die Konsortialbank, die den IPO begleitet, für die Aktien bezahlt und dem Preis, den die Öffentlichkeit angeboten bekommt. Dieser beträgt zwischen 3 und 7 Prozent.
Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass sobald eine Underwriting-Erklärung unterzeichnet wurde, der Underwriter (oder das Underwriter-Syndikat, bei mehreren Banken) das Risiko trägt, die Anteile zu verkaufen. Die Anteile werden von der Konsortialbank komplett aufgekauft und sie bleibt im Falle dessen, dass das Angebot größer als die Nachfrage ist, auf den Anteilen sitzen.
Im Falle von Snowflake gab es 28 Mio. zum Verkauf stehende Aktien a 120$. Wenn wir von einem Underwriting-Spread von 5% ausgehen, dann gehen von den eingesammelten $3,4 Milliarden über $235 Mio. direkt an den Underwriter.
Noch größer dürften die kurzfristigen Zeichnungsgewinne sein, welche die am IPO beteiligten Banken, deren Fonds und ihre großen Kunden gemacht haben. Wenn die Aktien im Zuge der Emission um 100% steigen, dann kassieren sie - vereinfacht gesagt - die Differenz und tunen so z.B. die Performance ihrer Aktienfonds.
Es gibt auch immer wieder mal Vorwürfe, dass Konsortialbanken durch "Kickbacks" ihrer bei der Zuteilung bevorzugten Kunden zusätzlich abkassieren. D.h. Kunden würden sich angeblich verpflichten, einen Teil möglicher Zeichnungsgewinne an die Bank abzuführen. Ob diese Geschäftspraxis immer noch existiert, ist mir ehrlich gesagt unklar.
In jedem Fall werden die Banken alles in ihrer Macht stehende tun, um jeden in der Branche dazu zu drängen, die Nachfrage nach den Aktien im Zuge des Börsengangs zu steigern. Auch die Finanz-Medien profitieren vom Hype durch steigende Leserzahlen und machen gerne mit.
Ein erfolgreicher Börsengang wird von den Banken leider oft an den Kursen kurz nach dem IPO bemessen. Für mich als mittel- bis langfristig orientierter Investor ist ein Börsengang hingegen nur dann erfolgreich, wenn der Aktienkurs bzw. Enterprise Value auch in den Quartalen und Jahren danach über dem Emissionskurs liegt und idealerweise unter mehr oder weniger großen Schwankungen stetig steigt.
Fazit
Lass Dich nicht von dem aktuellen Hype um die Tech-IPOs von Snowflake, Palantir und Co. anstecken. Es bleibt Dir genug Zeit, um später einzusteigen. Dann hast Du eine viel bessere Entscheidungsgrundlage.
Das Emissionsprospekt als Informationsquelle ist wichtig. Es ist trotz zahlreicher rechtlicher Vorgaben aber immer auch eine Art Hochglanz-Werbebroschüre für den Verkauf der Aktien.
Die ersten Quartalsberichte nach dem IPO sind meist noch viel erhellender, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Wenn Du die spannendsten IPO-Werte gemeinsam mit mir in aller Ruhe nach dem Börsengang beobachten willst, dann kannst Du jetzt hier meinen kostenlosen High-Growth-Investing-Newsletter abonnieren.