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Kein Platz für Risiko: LendingClub Aktie verkauft

  • Autorenbild: Stefan Waldhauser
    Stefan Waldhauser
  • 16. Apr.
  • 5 Min. Lesezeit

Verkauf der LendingClub Aktie

Mein Investmentstil war in den vergangenen Jahrzehnten stets dadurch gekennzeichnet, dass ich die kurzfristigen Auswirkungen der Politik weitgehend ignoriert und mich stattdessen auf die langfristig erfolgreiche Entwicklung “meiner” Unternehmen konzentriert habe. Nach dem Motto "Politische Börsen haben kurze Beine” habe ich mein Portfolio mit ruhiger Hand verwaltet und damit sehr gute Erfahrungen gemacht.


Führt Trump die USA in eine schwere Rezession?

Ich habe mir in den letzten Wochen seit dem Amtsantritt von Trump viele Gedanken gemacht, ob ich es auch dieses Mal so halten und die Auswirkungen der Politik ignorieren kann. Denn auch dieser US-Präsident wird in 4 Jahren Geschichte sein. Sollte man meinen. Aber was ist heute schon sicher? 


Mit meinen fast 58 Lebensjahren kann ich mich an keinen politischen Führer in der westlichen Welt erinnern, der so disruptiv und ohne Fingerspitzengefühl vorgegangen ist. Er verhält sich wie der berühmte Elefant im Porzellanladen und ich befürchte, dass das Trump-Regime vieles in unserer Weltordnung zerstört, was auch nach dem Ende seiner Amtszeit unwiederbringlich kaputt sein wird.


Die Gefahr ist groß, dass Trump die USA in eine Rezession führt. Eigentlich kann ich mir im Moment nur schwer vorstellen, dass es nicht so kommt und sehe die Wahrscheinlichkeit bei deutlich über 50 Prozent. 


Ein Grund dafür ist sicherlich die erratische Zollpolitik des US-Präsidenten. Diese Zölle beherrschen die Wirtschaftsmedien und es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Zölle den US-Unternehmen irreparablen Schaden zufügen werden, wenn sie längerfristig bestehen bleiben. Allerdings bin ich optimistisch, dass seine Zölle nach bilateralen Verhandlungen zumindest teilweise in den kommenden Monaten wieder verschwinden werden. Trump wird sich dafür als größter Dealmaker der Welt feiern lassen. 


US-Staatsanleihen - Vertrauen ist alles 

Was mich deutlich mehr beunruhigt als die Zölle, ist die angespannte Schuldensituation der USA und die Lage an den Anleihen- und Devisenmärkten.


Mein Verständnis vom Zusammenspiel der Kräfte an der Wall Street war bisher vereinfacht gesagt: Wenn die Aktienkurse fallen (wie in den letzten Wochen), dann fließen Gelder vom Aktienmarkt in den vermeintlich sicheren Anleihemarkt, die Nachfrage nach US-Staatsanleihen steigt, deren Kurse steigen und damit sinken die Renditen, zu denen sich die US-Regierung neu verschulden kann.


Soweit die Theorie und die Erfahrung aus vielen Wirtschaftszyklen der vergangenen Jahrzehnte. In den letzten Wochen war jedoch genau das Gegenteil zu beobachten: Die Kurse der US-Anleihen sind mit den Aktien deutlich gefallen, die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen ist dadurch innerhalb weniger Tage um 60 Basispunkte auf 4,5% gestiegen.


Das große Problem ist, dass die USA allein in diesem Jahr fast 30 Prozent ihrer gigantischen Staatsschulden refinanzieren müssen. Allein die 60 Basispunkte der letzten Tage würden rund 54 Milliarden Dollar zusätzliche Zinszahlungen pro Jahr bedeuten. Auch für die USA ist das viel Geld. Sollten die Anleiherenditen weiter steigen, würden die neu auszugebenden Anleihen immer höhere Zinszahlungen erfordern, die die Zahlungsfähigkeit der USA überfordern könnten.


Aber ich bin kein Volkswirt und möchte kein Halbwissen verbreiten. Deshalb mache ich es mir hier einfach und verweise auf einige gute Beiträge zu diesem Thema, die ich sehr ernst nehme.


Blogbeitrag vom I/O Fund:

Beiträge vom Capital Magazin (Paywall):


Wir Anleger aus dem Euroraum haben noch ein weiteres Problem mit unseren US-Investments, und das ist die Dollarschwäche: Der US-Dollar hat seit Jahresbeginn bereits mehr als 10% verloren. Das Vertrauen in den US-Dollar als Weltleitwährung ist schon seit längerem erodiert und dürfte unter dem Handelskrieg weiter leiden. 

“Eigentlich würde man durch die Zölle einen stärkeren Dollar erwarten, weil die Preise in den USA steigen werden, und die Notenbank die Zinsen hochhalten muss. Dass der Dollar in dieser Situation trotzdem fällt, ist Ausdruck davon, dass der Status als globale Leitwährung auf dem Spiel steht.”

Moritz Krämer, Chefvolkswirt LBBW



Zeit für einen Depot-Check

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mich entschlossen, mein Depot sturmfest zu machen und mich besser auf das immer wahrscheinlicher werdende Szenario einer ernsthaften US-Rezession vorzubereiten.


Ich habe bereits vor einigen Jahren einen Artikel mit Tipps zum Depotcheck in Zeiten einer drohenden Rezession geschrieben, den ich heute noch einmal empfehlen möchte: 7 Tipps zum Depot-Check in Zeiten von Rezession und Inflation


Besonders wichtig ist mir in unsicheren Zeiten eine hohe Cashquote. In der aktuellen Situation halte ich persönlich eine Reserve von 20-30% für sinnvoll. Ich habe mich daher gefragt, wie ich eine solche Cashquote möglichst sinnvoll aufbauen kann. Dazu gehört natürlich, jede einzelne Aktie auf den Prüfstand eines möglichen Verkaufes zu stellen.


Mein Abschied von der LendingClub Aktie

Warum es ausgerechnet LendingClub getroffen hat?


Ich möchte in Krisenzeiten nicht in einer US-Bank investiert sein, die stark von US-Konsumentenkrediten abhängig ist. Das Geschäft von LendingClub ist stark zyklisch und das Geschäftsmodell ist in den letzten Jahren durch die verschiedenen Produkte, die LendingClub auf der Konsumentenseite, aber vor allem jetzt auch auf der Kreditgeberseite anbietet, deutlich komplexer geworden.


Auch wenn LendingClub in den letzten Jahren bewiesen hat, dass sie die Kreditwürdigkeit von Kreditnehmern besser einschätzen können als die meisten Wettbewerber, kann ich nicht einschätzen, wie sich die Kreditausfallraten im Falle einer leichten/mittleren/schweren US-Rezession entwickeln würden. Ebenso wenig kann ich abschätzen, wie sich die Nachfrage der kreditgebenden Banken und institutionellen Investoren in einer Krise entwickeln wird. Und seien wir ehrlich: Banken zu analysieren gehört nicht unbedingt zu meinen Kernkompetenzen.


Natürlich kann man als LendingClub Aktionär argumentieren, dass diese Unsicherheiten längst im aktuellen Aktienkurs von LendingClub enthalten sind. Auch mir ist natürlich nicht entgangen, dass der Aktienkurs inzwischen 10-20% unter den Buchwert von zuletzt gut 11$ pro Aktie gefallen ist. Ich halte viel vom CEO Scott Sanborn und seinem Team bzw. deren Fähigkeiten im Krisenmanagement und glaube nach wie vor, dass sie das Unternehmen langfristig in eine gute Zukunft führen werden. 


Entscheidend ist aber letztlich, dass man sich als Investor mit seinen Investments wohl fühlt und jeden weiteren Kursrückgang als Chance begreift, dann ein hervorragendes Unternehmen zu einem noch günstigeren Preis und mit hoher Überzeugung kaufen zu können. 


Ich habe mich also gefragt, wie ich mich fühlen würde, wenn die Aktie von LendingClub in einer schweren Rezession weiter fallen würde. Ich habe nicht unbedingt das Gefühl, dass ich dann mit einem guten Gewissen antizyklisch zugreifen könnte, wenn eine Situation eintritt, in der kaum noch ein Anleger die Aktie anfassen möchte.


Bei den meisten meiner Portfoliounternehmen habe ich da ein deutlich besseres Gefühl. Selbst wenn sich das konjunkturelle Umfeld weiter eintrüben und sich das Wachstum verlangsamen sollte: In meinem investierbaren Musterportfolio befindet sich derzeit kein einziges Unternehmen mehr, das 2025 mit einem negativen Cashflow abschließen dürfte. 


Bei LendingClub bin ich mir nicht ganz sicher, ob das Unternehmen in einer echten Krise nicht doch in die roten Zahlen rutschen könnte. Dann wäre auch ein weiterer Absturz der Aktie in Richtung der alten Tiefs von 2023 bei 5$ nicht auszuschließen. Deshalb habe ich die Restposition der LendingClub Aktie jetzt komplett verkauft. 


Fazit

Die Cashposition in meinem wikifolio beträgt nach dieser Transaktion und einigen kleineren Gewinnmitnahmen bei ca. 23%, was am unteren Ende meiner derzeitigen “Wohlfühlzone” liegt. Weitere Verkäufe sind möglich, aber ich werde erst einmal die kommende Quartalssaison abwarten. Diese wird sicherlich wieder große Schwankungen mit sich bringen.


Es bleibt spannend. Wenn Du die weiteren Entwicklungen am Aktienmarkt in der kommenden Quartalssaison und darüber hinaus gemeinsam mit mir verfolgen willst, dann kannst Du jetzt hier meinen aktuellen Newsletter abonnieren.


*Disclaimer: Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Der Autor und/oder mit ihm verbundene Personen oder Unternehmen hält keine Aktien (mehr) von Lending Club. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

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