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Deep Value oder Deep Fake? Kann die Vimeo Aktie nach dem Q2/25 das Comeback zünden?

  • Autorenbild: Stefan Waldhauser
    Stefan Waldhauser
  • 8. Aug.
  • 7 Min. Lesezeit
Vimeo Aktienanalyse Q2 2025

Die Aktie der Videoplattform Vimeo befindet sich schon seit dem Börsengang durch einen Spin-off im Mai 2021 in meinem Depot. Wenn du dieses SaaS-Unternehmen noch nicht kennst, kannst du dich hier in den Vimeo Investment Case einlesen. Ich habe mit meiner zunächst kleinen Position aus der Abspaltung von der IAC Holding zunächst den schlimmen Absturz um +90 % mitgemacht und dann seit 2023 zu Ausverkaufskursen eine mittlerweile stattliche Position aufgebaut.



Nach den Q2-2025-Zahlen habe ich nun zu Kursen um 4 USD nochmals aufgestockt und die Vimeo-Aktie damit weiter übergewichtet. Dieser Beitrag erläutert die Hintergründe für meine Zuversicht.


Vimeo-Zahlen im Überblick – solide, aber (noch) nicht sexy

Vimeo lieferte im zweiten Quartal 2025 einen Umsatz von 105 Mio. USD – exakt dem Vorjahresniveau – bei einer Bruttomarge von 78 % und einem bereinigten EBITDA von 11 Mio. USD.


Noch wichtiger ist, dass der Free-Cashflow bei 18 Mio. USD bzw. einer Marge von 17 % lag. Das ist zwar etwas weniger als im Vorjahresquartal, angesichts der angekündigten Investitionsoffensive jedoch viel besser als erwartet.


Die Bookings – ein besserer Frühindikator als der Umsatz – legten um 6 % zu, der stärkste Wert seit drei Jahren. Unterm Strich verblieben gut 6 Mio. USD Nettogewinn, ebenfalls besser als erwartet.


Für das Gesamtjahr hob das Management die EBITDA-Prognose von 25–30 Mio. auf ca. 35 Mio. USD an und peilt „annähernd zweistellige“ Umsatzwachstumsraten bis Ende 2025 an. Für 2026 wurde die Rückkehr auf einen nachhaltig profitablen Wachstumspfad in Aussicht gestellt.


Noch wichtiger als diese Gesamtzahlen ist ein Blick in die einzelnen Segmente, die sich in den letzten Jahren sehr unterschiedlich entwickelt haben. Zur Erinnerung: Während der größte Geschäftsbereich, das Selbstbedienungsgeschäft mit der Vimeo-Plattform für Creators und kleine Unternehmen, seit der Pandemie deutlich rückläufig war, konnte das Enterprise-Geschäft mit größeren Unternehmenskunden zuletzt mit hohen Wachstumsraten glänzen und an Bedeutung gewinnen.


Segment-Dynamik – Enterprise zieht, Self-Serve stabilisiert


Vimeo Enterprise bleibt auch weiterhin die Zugmaschine: +25 % Umsatz gegenüber Vorjahr klingt gut, die Anzahl der Kunden wuchs um 10% und die durchschnittliche Subskriptionsgebühr (ARPU) wuchs mit 12% zweistellig. Diese Zahlen bedeuten aber auch - wie schon im Q1 - eine deutliche Verlangsamung des Enterprise Wachstums, die es zu erklären gilt.



Die Enterprise Bookings stiegen im Q2 nur um 9 % an. Das klingt enttäuschend, ist aber negativ dadurch beeinflusst, dass ein einzelner Großkunde seine Subskription nicht verlängerte und damit die Bookings drückte. Ohne diesen Effekt läge das Booking-Wachstum laut CEO Philip Moyer im Bereich von 15 %. Die Enterprise-Pipeline für die zweite Jahreshälfte sei „so groß wie nie“. Ich bin nach zwei schwächeren Enterprise-Quartalen etwas skeptisch, aber noch geniesst der neue CEO meinen Vertrauensvorschuss. Ich werde Philip spätestens bei Vorlage der Gesamtzahlen für 2025 an diesen Aussagen messen.


Im Self-Service-Geschäft mit Creators und kleineren Unternehmen sanken die Erlöse zwar nochmals leicht um 1 %, doch ein Booking-Wachstum von 11 % signalisiert hier eine Trendwende – getrieben von Preiserhöhungen und Packaging-Maßnahmen.



Die Zahl der zahlenden Abonnenten ist mit 1,2 Millionen nach wie vor deutlich rückläufig (-11 % gegenüber dem Vorjahr), dafür zahlen diese Kunden jetzt im Durchschnitt 11 % mehr.


Einige andere Analysten sehen die anhaltende Erosion der zahlenden Nutzerbasis noch kritischer als ich aus meiner Brille eines Software-Unternehmers: Ja, es gibt 2025 deutlich weniger Vimeo-User als während der Pandemie. Diese Nutzer sind heute jedoch offenbar qualitativ hochwertiger, d. h. sie sind bereit, deutlich mehr zu bezahlen, da die Plattform heute viel mehr Funktionalität bietet, z. B. die Übersetzung von Videos mit KI.


Für mich besonders wichtig: Die Churn-Raten sind trotz der Preiserhöhungen stabil. Das deutet einerseits auf eine gewisse Preissetzungsmacht hin, andererseits unterstützt es meine These, dass Vimeo lange Zeit viel zu billig angeboten wurde.


Langfristig ist es aber natürlich essentiell, dass sich die Basis der Vimeo Self-Service-Nutzer stabilisiert und die Churn durch neue Subscriber zumindest ausgeglichen wird. Denn aus dieser Basis heraus entstehen die meisten Leads für das Vimeo-Enterprise-Produkt. Sicherlich erfährt Vimeo Self Service – wie die meisten anderen Digitalunternehmen auch – Gegenwind durch das veränderte Suchverhalten im KI Zeitalter. Es bleibt abzuwarten, ob die erheblichen Investitionen in das Vimeo Produkt zum beabsichtigten Product-Led-Growth führen – der Traum eines jeden SaaS-Unternehmens. Letzlich wird sich hier - in der Produktqualität - die Zukunft von Vimeo entscheiden.


Produkt-Roadmap – der Schritt zur „Agentic Video Plattform“

Seit einiger Zeit versucht Vimeo – wie alle anderen Softwarehersteller auch – das eigene Produktportfolio an das KI-Zeitalter anzupassen. Aktuell monetarisiert Vimeo bereits die KI-basierten Übersetzungen von Videos. Hier steht man ganz am Anfang, die Umsätze sind noch nicht relevant, aber für die Zukunft wichtig. Denn dabei handelt es sich um zusätzliche transaktionsbasierte Umsatzströme mit Bruttomargen von über 90 %, die zukünftig neben den eigentlichen Subskriptionen nutzungsbasiert generiert werden.


Herzstück der Vimeo-Produktroadmap für 2025 ist neben etlichen Enterprise-Features für große Unternehmen das neue Konzept des „Agentic Video“: „KI-Agenten” sollen zukünftig komplette Videobibliotheken via natürlicher Sprache durchsuchen, Antworten in Sekunden extrahieren und automatische Kapitel-Marker erstellen. Anwender sollen dann – ähnlich wie bei ChatGPT – mit ihrer Videobibliothek kommunizieren und deren Inhalte abfragen können. Erste Beta-Kunden (u. a. Spotify) testen das Feature aktuell, ein breiter Rollout ist zum Jahresende geplant.


Aktienrückkäufe – Kapitalallokation mit Signalwirkung?

Am 29. April 2025 genehmigte das Vimeo Board ein neues Programm über 50 Mio. USD, mit dem bei aktuellen Kursen über 7 % der ausstehenden Aktien zurückgekauft werden könnten.


Dem gegenüber stehen Aktienvergütungen in einer vernünftigen Höhe, die für 2025 unter 30 Mio. USD, d.h. 7% vom Umsatz liegen sollten. Eine drohende Verwässerung ist für Vimeo-Aktionäre also auch weiterhin kein Thema. Das ist nicht selbstverständlich und stützt meinen Investment Case.



Die Bewertung der Vimeo-Aktie

Vor den Q2-Quartalszahlen war die Vimeo-Aktie bis auf 3,60 USD abgestürzt. Nach der überfälligen positiven Reaktion auf die Zahlen bringt Vimeo bei einem Aktienkurs von 4,20 USD knapp 700 Mio. USD Börsenwert auf die Waage. Abzüglich +300 Mio. USD Cash bleibt für das schuldenfreie Unternehmen ein Enterprise Value von knapp 400 Mio. USD. Bezogen auf den TTM-Umsatz von 417 Mio. USD notiert die Aktie damit bei einem EV/Sales-Verhältnis von ca. 0,9.


Ein EV/Sales Verhältnis von unter 1 bei einem profitablen SaaS Unternehmen mit 78% Bruttomarge findet man nicht sehr oft.

Bewertet man Vimeo mit dem neuen EBITDA-Ziel (35 Mio USD), so kommt man auf ein EBITDA-Multiple von 11. Das Free Cashflow-Multiple beträgt weniger als 9. Und ich gehe davon aus, dass der Free-Cashflow – aktuell annualisiert ~50 Mio USD – durch Margen­hebel in den kommenden Jahren weiter deutlich anwächst.



Eine derart niedrige Bewertung passt einfach nicht zu einem SaaS-Unternehmen mit hohen Bruttomargen, das gute Aussichten hat, ab 2026 sogar wieder zweistellig profitabel zu wachsen.


Ist die Vimeo-Aktie also viel zu billig, oder bin ich viel zu optimistisch?


Warum verlor die Vimeo Aktie 35% seit Jahresanfang? 

Hier mein Versuch einer Erklärung, warum die Vimeo Aktie nach ihrer guten Entwicklung in 2024 im bisherigen Jahresverlauf so abgestraft wurde:

Stagnierender Umsatz: Bislang fehlt das nach außen sichtbare Umsatz­wachstum: Seit fünf Quartalen stagniert der Umsatz bei 103-105 Mio. USD. Das ist Gift für die Growth-Investoren, die längst das Interesse an der Vimeo Aktie verloren haben. Und es gibt offenbar nur sehr wenige Value Investoren, die genauer auf solche Software-Werte schauen und sich die Mühe machen, das Geschäftsmodell wirklich zu verstehen. 


CFO-Abgang: Der Rücktritt von CFO Gillian Munson zum 8. August 2025 wirft Fragen zur Kontinuität auf. Obwohl der Abschied „without cause“ erfolgt, fürchten Anleger eine Guidance-„Reset“.  Die Kommunikation dieses Abgangs war denkbar schlecht. Warum hat man nicht den Q2 Call zum Anlass genommen, sich öffentlich zu verabschieden?


Das alles wirft kein gutes Licht auf den neuen CEO Philip Moyer. Der will offensichtlich jetzt einen eigenen CFO seiner Wahl installieren. Das ist nicht unüblich in der Branche, aber Gilian Munson hat seit ihrem Antritt vor 3 Jahren aus meiner Sicht einen sehr guten Job gemacht. Ob sie jetzt wirklich freiwillig zurückgetreten ist, werden wir vielleicht nie erfahren. Bis zur Ernennung eines neuen CFO, der die aktuelle Guidance dann hoffentlich bestätigt, lastet diese Unsicherheit auf dem Vimeo Aktienkurs.


SaaS unter Druck: Steigende US-Zinsen drückten die Software-Bewertungen seit Jahresbeginn 2025 ganz allgemein. Während der Nasdaq100 Index  aufgrund der relativen Stärke von Big Tech seit Januar über 10% zulegte, gerieten SaaS-Werte aus der zweiten und dritten Reihe wie Vimeo ganz allgemein unter Druck. Der Nasdaq Emerging Cloud Index, in dem auch Vimeo enthalten ist, liegt seit Jahresbeginn deutlich im Minus. Viele andere durchaus renommierte Player aus der 2. Reihe wie HubSpot, Wix oder Confluent gehörten mit Vimeo zu den großen Verlieren im bisherigen Jahresverlauf mit Kursverlusten von 30-50%.


Diskrepanz zu Analysten-Kurszielen: Das durchschnittliche Kursziel der Analysten wurde nach den Q2 Zahlen auf aktuell 6,63 USD gesenkt. Das bedeutet zwar, die Analysten sehen ein Potential von gut 60%, aber selbst das würde einem EV/Sales Verhältnis von weniger als 2 entsprechen. Ich persönlich sehe den fairen Wert deutlich höher, falls Vimeo wirklich auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückkehrt, so wie es derzeit aussieht.

Der Markt preist jedoch offensichtlich das Risiko ein, dass Vimeo seine Re-Acceleration-Story nicht liefert, der CEO geniesst offenbar (noch) nicht das Vertrauen der Investorengemeinde. Dazu passt die Unsicherheit um die CFO-Nachfolge und bisher ausbleibende klar nachweisbare Erfolge bei der AI-Monetarisierung.


Die Analysten und Investoren verlangen zunächst klare Beweise, dass Umsatz und Enterprise Bookings dauerhaft zweistellig wachsen – erst dann dürften die Kursziele - dann wohl nach gestiegenen Kursen - wieder anziehen. Kurz: Der Bewertungs­abschlag der Analysten reflektiert wohl Skepsis, nicht Unwissen.


Fazit

Eine solche Kombination aus substanzieller Cash-Position, ordentlichen Margenhebeln und einem SaaS-Geschäftsmodell, das unter 1 × Umsatz bewertet wird, habe ich selten erlebt.


Sollte das Management seine Roadmap umsetzen, das Wachstum der Enterprise-Bookings in den „Mid-Teens“ halten und Self-Serve tatsächlich (wie schon im Q2 erfolgt) nachhaltig ins Plus drehen, so sollte Vimeo im Jahr 2026 auf zweistellige Wachstumsraten bei Umsatz, Cashflow und Gewinn zusteuern.


Die Aktie ist aktuell ein klassisches „Show-me“-Story-Value-Play: Wer glaubt, dass die KI-Features wie „Übersetzungen“ und „Agentic Video“ echten Mehrwert und damit Potenzial für die Monetarisierung liefern, erhält hier eine asymmetrische Chance auf eine Vervielfachung. Bleibt das Wachstum hingegen mickrig, droht eine weitere lange Seitwärtsbewegung.


Für geduldige High-Tech-Investoren, die in der gegenwärtigen Marktphase rund um den AI Hype die Cash-Generierung höher gewichten als das kurzfristige Top-Line-Momentum, könnte Vimeo auf diesem Niveau sehr spannend sein. Das operative Risiko sollte jedenfalls durch die große Cash-Position und den positiven Free Cashflow nach unten gut gepuffert sein.


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Disclaimer

Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Vimeo. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.



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