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  • Stefan Waldhauser

Warum Microsoft für die Open Source Plattform GitHub $7,5 Mrd. zahlt


Microsoft loves Open Source

Nun ist es also tatsächlich passiert: Microsoft hat die Übernahme der Open Source Entwicklerplattform GitHub bekanntgegeben - für sage und schreibe $7,5 Mrd. Ich als Microsoft-Aktionär habe durchaus gemischte Gefühle angesichts der großen Bedeutung dieses Deals für die Softwarewelt.

Glückwunsch an die GitHub-Mitarbeiter

Bevor ich meine Gefühlslage näher beschreibe, möchte ich aber zunächst alle Mitarbeitern von GitHub (einige davon sind ehemalige Kollegen von mir) beglückwünschen zu diesem grossartigen Exit und ihren damit sehr wertvoll gewordenen Aktienoptionen. GitHub ist eine tolle Firma, die einen wertvollen Mehrwert für die globale Softwarewelt erbringt. Allerdings ist das Unternehmen seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem neuen CEO und einem funktionierendem und profitablem Geschäftsmodell. Derzeit macht GitHub ca. $200 Mio. Umsatz. Auch für mich als Softwaremensch, der schon viele Akquisitionen erlebt hat, hört sich demgegenüber dieser Übernahmepreis von $7,5Mrd. ziemlich abenteuerlich (um nicht zu sagen aberwitzig) hoch an.

Was haben sich Microsoft-Strategen also dabei gedacht?

Für diejenigen von Euch, die nicht in der Softwarewelt zuhause sind, hier ein klein wenig Hintergrund zu dieser Übernahme:

Was ist GitHub?

GitHub ist die führende Plattform für Open Source Entwickler zur Verwaltung ihrer Projekte. GitHub basiert auf der freien Open Source Software Git und erleichtert insbesondere die Zusammenarbeit an Software-Projekten über Unternehmensgrenzen hinweg.

Die cloud-basierte GitHub-Plattform konnte sich innerhalb weniger Jahre als defacto-Standard und Arbeitsumgebung für Entwickler durchsetzen, weil es bisher eine von den großen Konzernen unabhängige Lösung war, mit der die Entwickler weltweit keinerlei Berührungsängste hatten. Neben Millionen von unabhängigen Entwicklern setzen übrigens auch die Mitarbeiter von Google, Facebook und nicht zuletzt Microsoft selbst in erheblichem Umfang auf die GitHub-Plattform.


Dennoch hat GitHub aus dieser einzigartigen Position in der Software-Szene wirtschaftlich bisher keinen Nutzen ziehen können. Trotz einer riesigen Nutzerbasis von 27 Mio. Softwareentwicklern wurde mit GitHub bisher noch kein Geld verdient. $350 Mio. Risikokapital hat man in den vergangenen Jahren bekommen - und ist nach wie vor weit von einem profitablen Geschäft entfernt.

Vorgesehen war für GitHub eigentlich ein Börsengang, der die eigene Unabhängigkeit bewahrt hätte. Aber ein solcher IPO gelingt in den USA in der Regel nur bei einem Umsatzwachstum von mehr als 30% p.a. und einem klaren Pfad in Richtung Profitabilität. Das war für GitHub aktuell nicht erreichbar und so war das Angebot von Microsoft nun wohl zu verlockend - nachdem es Gerüchten zufolge mehrfach nachgebessert worden war.

Offenbar wollte Microsoft die GitHub Plattform unbedingt haben - koste es was es wolle sozusagen.

Warum zahlt Microsoft einen derart strategischen Preis?

GitHub ist das „Zuhause" der meisten Softwareentwickler weltweit. Und natürlich ist es für den Softwarekonzern erstrebenswert, die Arbeitsumgebung einer solchen riesigen Entwicklergemeinde zu kontrollieren. Auch wenn Microsoft betont, dass man GitHub weiterhin als offene Plattform betreiben will, geschieht das doch immer im Betreben, die Entwickler für das eigene Ökosystem zu gewinnen und die eigene Entwickler-Plattform am Markt zu etablieren.

Daher kann GitHub für Microsoft auch dann sehr wertvoll sein, wenn man kein Geld direkt mit dem Produkt verdient. Insofern macht diese Übernahme (unabhängig vom Preis) strategisch viel Sinn. Allerdings immer vorausgesetzt, die Entwickler bleiben GitHub auch unter dem neuen Besitzer Microsoft treu. Und genau das ist hier der Knackpunkt. Darum betont Microsoft auch in einer ersten Stellungnahme, dass GitHub weiterhin unabhängig und offen bleiben soll.

Microsoft-GitHub-Deal

Der Aufschrei in der Entwicklergemeinde

Aber die meisten Softwareentwickler sind misstrauisch gegenüber den Softwareriesen im Allgemeinen und Microsoft im Besonderen. Ein Aufschrei geht durch die weltweite Entwicklergemeinde. Auch ich kann mir nur schwer vorstellen, dass langfristig GitHub wirklich unabhängig von Microsoft agieren kann. Damit dürfte es schwer werden, das Vertrauen der weltweiten Entwicklergemeinde uneingeschränkt aufrechtzuerhalten. Denn es gibt unabhängige Alternativen zu GitHub wie z.B. GitLab und Bitbucket und ich denke etliche Entwickler werden sich nun ein neues „Zuhause“ suchen.

Die Parallelen zur Skype-Übernahme

Ich sehe die Situation übrigens sehr ähnlich zur Übernahme von Skype durch Microsoft in 2011. Skype war vor der Übernahme der unangefochtene defacto-Standard unter den Messengern. Skype war deswegen im Alltag für seine Nutzer so hilfreich, weil einfach jeder (zumindest in meiner Softwarewelt ;-) dort zu finden war. Mittlerweile ist die Positionierung von Skype längst nicht mehr so gut und der Markt für solche Kommunikationstools ist unüberschaubar geworden. Ich nutze aktuell (neben Skype) notgedrungen mindestens 5 sehr Skype-ähnliche Tools von unterschiedlichen Anbietern zur Kommunikation mit verschiedenen Ansprechpartnern - der Arbeitsalltag ist dadurch natürlich nicht einfacher geworden.

Ähnlich wird es zukünftig wohl auch den Entwicklern gehen. Je nachdem an welchem Projekt sie arbeiten, werden sie es wohl mit unterschiedlichen Tools zu tun haben. Innovationsfördernd wäre eine solche Steigerung der Komplexität sicher nicht. Insofern sehe ich diese Übernahme von Github durch Microsoft generell kritisch. Ich bin gespannt was nach 5-10 Jahren von GitHub übrig bleiben wird unter der Herrschaft von Microsoft.

Den teuren Übernahmepreis von $7,5 Mrd. (das ist mehr als das 30-fache des Umsatzes) muss man allerdings relativieren. Denn die GitHub-Aktionäre erhalten nicht etwa Cash, sondern Microsoft-Aktien, die derzeit ebenfalls nicht gerade preisgünstig sind. Zur Vermeidung einer Verwässerung will die Cash-Maschine Microsoft übrigens die laufenden Aktienrückkäufe beschleunigen.

Fazit

Für mich ändert sich durch diesen Deal, der mich nicht begeistern kann, nichts an meiner positiven Grundeinschätzung zu Microsoft. Seit meinem viel gelesenen Blog-Beitrag zur Wiederauferstehung von Microsoft in der Cloud ist der Kurs allerdings nochmals deutlich gestiegen. Für mich ist Microsoft aktuell nur noch eine langfristige Halteposition. Die Microsoft-Aktie ist sowohl im High-Tech Stock Picking wikifolio als auch im Portfolio des Digital Leaders Fund enthalten.


Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

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