IAC Spin-off vollzogen - Angi-Aktie jetzt auf Qualitätskurs?
- Stefan Waldhauser
- vor 1 Stunde
- 6 Min. Lesezeit

Angi Inc., der führende Online-Marktplatz für haushaltsnahe Dienstleistungen in den USA, hat am 6. Mai 2025 seine Ergebnisse für das erste Quartal veröffentlicht. Diese Quartalszahlen sind nicht nur aus finanzieller Sicht interessant, sondern markieren auch einen wichtigen Meilenstein in der Unternehmensgeschichte des Vermittlers von Handwerkerleistungen: Am 31. März 2025 wurde Angi offiziell von der ehemaligen Muttergesellschaft IAC abgespalten (mehr zur Historie und zum Unternehmen hier) und agiert seitdem als eigenständiges, börsennotiertes Unternehmen.
Dies sind also die ersten “unabhängigen Zahlen” von Angi und ich freue mich darauf, sie für Euch unter die Lupe zu nehmen.
Zumal die Angi-Aktie, die im Zuge des Spin-offs stark unter Druck geraten war, mit einem regelrechten Befreiungsschlag auf diese Geschäftszahlen reagierte und sich in den letzten 4 Wochen um 40% erholen konnte. Damit notiert sie aber immer noch ein Drittel unter dem Kurs vom 11.11.2024, als das geplante Spin-off von der IAC bekannt gegeben wurde.

Um die Quartalszahlen von Angi (insbesondere den Umsatzrückgang) richtig einschätzen zu können, müssen zunächst die Umstrukturierungen berücksichtigt werden:
Turnaround-Strategie bei Angi
Um die strukturellen Probleme der Vergangenheit zu überwinden und in Zukunft nachhaltig profitabel wachsen zu können, verfolgt Angi einen klaren Turnaround-Plan. Das Ziel: Weg von der reinen Masse an Leads, hin zu qualitativ hochwertigen Aufträgen ("Jobs Done Well") und einer engeren Bindung sowohl an die Hausbesitzer als Kunden als auch an die Handwerker-Profis. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Umbau des Geschäftsmodells nicht ohne kurzfristige Umsatzeinbußen möglich ist. Er umfasst vor allem folgende Kernpunkte:
Qualität vor Quantität bei den Leads: Statt auf möglichst viele, oft automatisch generierte und entsprechend minderwertige Anfragen zu setzen, will Angi künftig stärker mit vorqualifizierten, kaufbereiten Nutzern arbeiten. Die Strategie heißt “Homeowner Choice” und bedeutet, dass der Kunde seinen Handwerker selbst aus einer Liste von Dienstleistern auswählt, statt den bisher üblichen Matching-Algorithmus zu nutzen. Das senkt nicht nur die Ablehnungsquote auf Anbieterseite, sondern erhöht auch die Kundenzufriedenheit.
Fokus auf eigene Kanäle: Angi will unabhängiger von Google werden und verstärkt seine "Proprietary Channels" zur Leadgenerierung. Und siehe da: Hier ist der Rückgang der Leads fast gestoppt! Nach fünf Quartalen mit zweistelligen Minusraten ist das eine echte Trendwende und zeigt: Die Maßnahmen in Marketing und Vertrieb greifen. Diese Kanäle machen mittlerweile über 80% des Volumens aus - hier liegt der Hebel für die Zukunft!
Konzentration auf margenstarke Kategorien: Bereiche wie Sanitär, Heizung/Klima und Elektro sollen gegenüber weniger planbaren Dienstleistungen ausgebaut werden. Diese Segmente sind nicht nur besser planbar, sondern erlauben auch höhere Durchschnittspreise pro Auftrag.
Plattformeffizienz und Kostenstruktur: Durch Automatisierung und gezielteres Marketing sollen die Vertriebskosten gesenkt werden. Gleichzeitig arbeitet Angi an der Verbesserung der mobilen Nutzererfahrung, um die Konversionsraten über Smartphones zu erhöhen.
Angi Finanzergebnisse Q1 2025 im Überblick
Angi erzielte im ersten Quartal 2025 einen Umsatz von 246 Mio. USD, was einem Rückgang von über 19 % gegenüber dem Vorjahr entspricht (Q1 2024: 305 Mio. USD). Der Umsatzrückgang ist im Wesentlichen auf strategische Veränderungen im Lead-Matching-Prozess sowie auf eine gezielte Reduzierung der Marketingausgaben zurückzuführen.
Die Anzahl der Serviceanfragen ist im Q1 gegenüber dem Vorjahr nochmals um 19% und die Anzahl der Leads um 20% zurückgegangen. Schaut man jedoch etwas tiefer in die Zahlen, zeigt sich ein wesentlich erfreulicheres Bild. Der Rückgang der Leads stammt fast ausschließlich aus den “Network Channels”, die um 57% zurückgingen, während die eigenen Kanäle (“Proprietary Channels”) mit -1% stabil blieben. Damit hat sich die Qualität der Angi-Leads deutlich verbessert, man ist nicht mehr wie in den Vorjahren darauf angewiesen, Leads bei Google + Co. einzukaufen und in diesem Zusammenhang auf die Gunst der entsprechenden Algorithmen der Plattform zu hoffen.
Trotz des Umsatzrückgangs konnte Angi den operativen Gewinn massiv steigern, von nur 2,7 Mio. USD in Q1 2024 auf 20,0 Mio. USD in Q1 2025. Das Nettoergebnis drehte von einem Verlust von -1,6 Mio. USD im Vorjahr auf einen Gewinn von 15,1 Mio. USD.

Das bereinigte EBITDA sank hingegen von 36,0 Mio. USD auf 27,7 Mio. USD (-22,6 %), was im Wesentlichen auf den Umsatzrückgang zurückzuführen ist. Auch der Free Cash Flow sank im Zuge der Umstellung des Geschäftsmodells auf -15 Mio. USD nach +10 Mio. USD im Vorjahr. Denn mit sinkenden Bookings (−18,5 %) reduziert sich auch die direkte Vorfinanzierung durch Kunden. Das wirkt sich kurzfristig negativ auf den Liquiditätszufluss aus. Der Cashflow sollte sich in den kommenden Quartalen sukzessive wieder dem Gewinn annähern. Ich werde diesen kritischen Punkt genau beobachten.
Seit Jahresbeginn hat das Unternehmen bis Anfang Mai 2,3 Millionen eigene Aktien für 32 Millionen US-Dollar zurückgekauft. Anfang Mai wurde ein neues Aktienrückkaufprogramm vom Board genehmigt, das den Rückkauf von weiteren 5 Millionen Aktien ermöglicht. Das wären mehr als 10% aller ausstehenden Aktien!
Leisten kann sich Angi diese Aktienrückkäufe allemal, der Cashbestand betrug per Ende des ersten Quartals 387 Mio. USD.
Angi Ausblick 2025 und 2026
Das Angi Management hat die Guidance für 2025 bestätigt. Es wird weiterhin von einer schrittweisen Verbesserung der Umsatzentwicklung ausgegangen, wobei der Umsatzrückgang für das Gesamtjahr letztlich zwischen -12% und -16% liegen soll. Das operative Ergebnis wird für 2025 zwischen 55 und 100 Mio. USD erwartet. Der bereinigte EBITDA soll zwischen 135 und 150 Mio USD liegen. Für den Cashflow gab es leider keine Guidance.
Mindestens genauso wichtig: Der Reset des Angi-Geschäfts soll 2025 abgeschlossen sein. Die Rückkehr zu profitablem Umsatzwachstum wird für 2026 in Aussicht gestellt. Auch die Profitabilität - gemessen am EBITDA - soll im nächsten Jahr weiter zulegen. Ich gehe davon aus, dass dies auch für die Entwicklung des Cashflows gilt, hätte mir hier aber eine klarere Aussage des Managements gewünscht.
Bewertung der Angi-Aktie
Der Enterprise Value (EV) der Angi-Aktie liegt bei einem Kurs von ca. 17 USD bei ca. 900 Mio. USD. Daraus ergibt sich ein EV/Sales-Verhältnis von lediglich ca. 0,8 auf Basis der Umsätze der letzten 4 Quartale. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt bei ca. 16, das Verhältnis von Enterprise Value zu Free Cashflow bei 11 (jeweils TTM).

Besonders spannend finde ich diese Turnaround-Situation bei Angi aufgrund der hohen Bruttomarge von zuletzt 94% in Verbindung mit den deutlich gesunkenen Kostenquoten für Vertrieb und Marketing. Sollte es dem Unternehmen tatsächlich gelingen, die Handwerker und Kunden besser an die Plattform zu binden und damit die Marketingkosten weiter zu senken, könnten sich die Umsatzzuwächse ab 2026 auch weitgehend in Gewinn und Cashflow niederschlagen.
Die bisher niedrige Bewertung reflektiert die in den letzten Jahren eher miese Umsatzqualität. Geht der Plan von CEO Jeff Kip und Chairman Joey Levin auf, dürfte mit einer verbesserten Umsatzqualität nicht nur der Cashflow, sondern auch die Bewertung gemessen am Umsatzmultiplikator deutlich steigen. In einem solch positiven Szenario hat die Angi-Aktie das Potenzial, sich in den nächsten Jahren zu vervielfachen.
Wettbewerbssituation
Die Hauptkonkurrenten von Angi sind eigentlich nicht andere Online-Dienste, sondern die noch immer vorherrschende Mund-zu-Mund-Empfehlung im analog geprägten Handwerkermarkt, die viele potenzielle Kunden von der Nutzung solcher Vermittlungsplattformen abhält.
Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass Angi als Platzhirsch in einem hart umkämpften und fragmentierten Online-Markt agiert. Plattformen wie Yelp, Thumbtack oder TaskRabbit buhlen ebenfalls um Konsumenten und Handwerker.
Thumbtack wird immer wieder als gefährlicher Herausforderer von Angi genannt. Die jüngere und organisch gewachsene Plattform scheint für Verbraucher derzeit intuitiver und effizienter zu sein als Angi.
Das nicht börsennotierte Unternehmen konnte Angi zuletzt Marktanteile abnehmen und erzielte im Geschäftsjahr 2024 einen Umsatz von 400 Mio. USD, was einer Steigerung von 27 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Damit ist Angi trotz des Umsatzrückgangs immer noch dreimal so groß wie Thumbtack, das jedoch zügig wächst, angeblich Cashflow-positiv ist und in der letzten Finanzierungsrunde 2021 (also vor dem Tech Crash anno 2022) noch mit 3,2 Mrd. USD bewertet wurde.
Der Vorteil von Angi liegt in der Markenbekanntheit, der großen Datenbasis und der Integration vieler Handwerksbetriebe auf der Plattform. Hinzu kommt die Börsennotierung als eigenständiges Unternehmen, die auch zukünftige Übernahmen oder Fusionen mit Konkurrenten wie Thumbtack erleichtert.
Die Ausrichtung auf "qualitativ hochwertige Leads" statt auf Volumen ist ein strategischer Richtungswechsel, der Angi mittelfristig Wettbewerbsvorteile und Marktanteile sichern soll.
Fazit zur Angi-Aktie
Angi Inc. liefert mit dem ersten Quartal 2025 ein gemischtes Bild: Die operative Marge und das Nettoergebnis konnten dank der strategischen Neuausrichtung und Kostendisziplin deutlich gesteigert werden. Gleichzeitig sorgt der negative Cashflow für etwas Stirnrunzeln.
Der deutliche Rückgang bei Umsatz und Leads ist nicht unbedingt negativ zu werten, da es dem Unternehmen offensichtlich gelingt, sich auf qualitativ hochwertigere Dienstleistungen und nachhaltigere Kundenbeziehungen auszurichten. Die aktuelle Bewertung der Angi-Aktie bietet mittelfristig viel Potenzial nach oben, wenn es dem Management gelingt, den Turnaround-Plan erfolgreich umzusetzen.
Ein Investment zum jetzigen Zeitpunkt setzt sicherlich einen Vertrauensvorschuss in das Management von Angi voraus. Mein Vertrauen genießt das Führungsduo, ich fühle mich durch die jüngsten Entwicklungen in meiner positiven Einschätzung der Angi-Aktie bestätigt. Ich sehe hier auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein hervorragendes Chance-Risiko-Verhältnis, habe daher in die Kursschwäche der vergangenen Wochen hinein meine Angi Position ausgebaut.
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Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzt Anteile von Angi Inc. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.