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  • Stefan Waldhauser

Könnte LendingClub die nächste Pleitebank sein?



Große Aufregung in der Finanzindustrie: Mit der Silvergate Bank, der Silicon Valley Bank und der Signature Bank sind innerhalb weniger Tage gleich drei US Banken zusammengebrochen. Die Verunsicherung bei den Anlegern ist auch in Europa groß: Denn zumindest die altehrwürdige Credit Suisse taumelt und keiner weiss genau, wie groß die Ansteckungsgefahr diesseits und jenseits des Atlantik wirklich ist.


Es gibt wilde Spekulationen darüber, welche Banken es als nächstes trifft. Die logische Konsequenz in dieser Situation: Die Aktien von Banken sowie FinTechs werden seit Tagen an den Börsen gnadenlos abverkauft.

In meinem Portfolio hat es die Aktien von LendingClub getroffen. Die haben ausgehend von einem ohnehin sehr niedrigen Niveau nochmals 20% nachgegeben und notieren aktuell unter 7$, d.h. auf dem tiefsten Stand seit der Übernahme der Radius Bank und dem Pivot des Geschäftsmodells weg vom P2P-Lending hin zur digitalen Bank (hier nachzulesen).




Vertrauen ist alles - Ohne Vertrauen ist alles nichts


Eine Bank ist grundsätzlich davon abhängig, dass sie das Vertrauen ihrer Kunden geniesst. Diese müssen das Gefühl haben, dass ihre Einlagen dort sicher sind. Wenn viele Kunden das Vertrauen in die Stabilität einer Bank verlieren und alle mehr oder weniger gleichzeitig ihr Geld abheben wollen, dann kann es zum gefürchteten Bank Run kommen. Die Bank muss dann u.U. Notverkäufe ihrer Assets tätigen und im schlimmsten Fall Verluste realisieren, die die Zuführung neues Eigenkapitals erfordern oder gar die Existenz einer Bank bedrohen wie gerade bei der Silicon Valley Bank (SVB) geschehen.

In Europa wie in USA sind die Einlagen von Anlegern bis zu einem gewissen Betrag versichert. In der EU sind über die gesetzliche Einlagensicherung 100.000€ pro Kunde und Bank abgesichert, in USA über die Einlagensicherung Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) bis 250.000$. D.h. die Massen von "normalen" Kleinanlegern brauchen sich in der Regel keine Sorgen um die Sicherheit ihrer Ersparnisse machen. Was natürlich erheblich dazu beiträgt, Vertrauen zu schaffen und Bank Runs i.d.R. zu verhindern.


Das Problem bei der Silicon Valley Bank war, dass die Einlagen der Bank bei 35.000 Unternehmenskunden konzentriert waren, die sehr oft erheblich mehr als 250.00$, also unversichertes Geld, bei der Bank geparkt bzw. angelegt hatten. Dadurch kam es in der vergangenen Woche in Rekordzeit zum gefürchteten Bank Run, nachdem Peter Thiel und einige andere Größen der VC Industrie im Silicon Valley ihre Portfolio Companies dazu aufgerufen hatten, Assets von der SVB abzuziehen.

Warum LendingClub nicht mit der Silicon Valley Bank vergleichbar ist


Bei LendingClub haben wir eine grundlegend andere Situation:


Die Konsumenten-Bank hat kein nennenswertes Unternehmensgeschäft. Ihre Einlagen dürften zum ganz überwiegenden Teil von Konsumenten stammen, die ihr Geld auf einem relativ hoch verzinsten Sparkonto parken, für das es derzeit 4,25% Zinsen gibt. Leider habe ich keine Daten darüber gefunden, wieviele der 4,5 Mio. Kunden des LendingClub ein solches „Sparkonto“ haben oder - noch interessanter - welcher Anteil dieser Assets unversichert ist. Klar ist aber, dass die Situation in keinster Weise vergleichbar ist mit der SVB oder auch den beiden im Krypto Umfeld gescheiterten Banken (Silvergate Bank und Signature Bank).


Das eigentliche Problem bei der SVB war es, dass die Bank ihre Assets in langlaufende (eigentlich sichere) US Staatsanleihen investiert hatte, die im Zuge des Zinsanstiegs enorm an Wert verloren hatten. Große Buchverluste hatten sich aufgetürmt, die das Eigenkapital aufgezehrt hatten. Diese Buchverluste wären kein Problem gewesen, wenn die Bank die Anleihen wie geplant bis zum Ende der Laufzeit hätte halten können. Daher erlauben es die US Bilanzierungsregeln auch, solche Buchverluste unter gewissen Umständen nicht zu bilanzieren. Durch die Vertrauenskrise und den Abzug erheblicher Assets war die SVB jedoch zum Verkauf dieser Anleihen mit großem Verlust gezwungen, was eine Kapitalerhöhung nötig machte, deren Scheitern letztlich zum Zusammenbruch führte.

Ein genauer Blick in den Jahresabschluss zum 31.12.2022 von LendingClub (LC) offenbart, dass bei LC unrealisierte Verluste i.H.v. $63 Mio. überwiegend aus von der US Regierung garantierten Anleihen bestehen. Diese werden NICHT realisiert, sofern die Papiere wie geplant bis zum Ende der Laufzeit gehalten werden.


Die Buchverluste betragen weniger als 6% des Eigenkapitals von LC, d.h. die Risiken erscheinen beherrschbar, selbst wenn es wie im Falle der SVB zum ungeplanten Verkauf dieser Assets kommen würde.


Außerdem verfügte LC zuletzt über Cash Reserven i.H. von deutlich mehr als $1 Mrd. Nichts deutet darauf hin, dass es hier zu irgendwelchen verlustträchtigen ungeplanten Notverkäufen von Assets kommen wird.


LC hat zudem öffentlich gemacht, dass man $21 Mio. direkt bei SVB hält und auf diese Gelder vorübergehend nicht zugreifen konnte. Nach den jüngsten Entwicklungen und den Garantien der US-Behörden für die SVB gehe ich davon aus, dass man daraus seitens LC keine Verluste realisieren wird. Aber auch ohne diese Garantien der Behörden wäre aufgrund der überschaubaren Höhe der bei SVB geparkten Gelder keine bedrohliche Lage für LC entstanden.

Die Bewertung der LendingClub Aktie


Der LendingClub ist seit 2021 eine Bank und kann damit nicht sinnvoll mit den sonst von mir präferierten Bewertungskennzahlen EV/Sales bzw. EV/FCF bewertet werden.

Das KGV von weniger als 3 auf der Basis der Zahlen aus 2022 taugt zur Bewertung ebenfalls nur wenig, da wir heute schon wissen, dass es 2023 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Gewinneinbruch geben wird, der in seiner Höhe aber nicht seriös zu prognostizieren ist.


Ich werde LC 2023 vor allem daran messen, ob es gelingt, auch in schwierigem Umfeld mit deutlich nachlassendem Geschäftsvolumen profitabel zu bleiben. Falls dem so ist, wird der Buchwert weiter ansteigen und der ist dann ein realistisches Kursziel.

Per Ende 2022 betrug der Buchwert knapp 11$ pro LendingClub Aktie, der sogenannte „tangible“ Buchwert betrug über 10$ pro Aktie. Darin sind alle immateriellen Vermögensgegenstände herausgerechnet. Der "tangible" Buchwert entspricht damit theoretisch dem Wert einer LendingClub Aktie im Falle der Liquidierung des Geschäftes. Bei einem aktuellen Kurs von nur noch knapp 7$ ergibt sich bis zu diesem „Liquidierungswert“ also ein Kurspotential von 44%.



Der eigentliche Wert der LendingClub Aktie sollte deutlich darüber liegen, sofern man nachweisen kann, mit dem neuen Geschäftsmodell als digitale Bank nachhaltig, d.h. auch in Zeiten steigender Zinsen und schwierigen Rahmenbedingungen profitabel wirtschaften zu können.


Die Analysten sind trotz zahlreicher Abstufungen der letzten Monate nach wie vor sehr optimistisch: Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 12,57$ und damit 80% über dem aktuellen Kurs.

Aber eins ist auch klar: All diese sicherlich gut begründbaren Potentiale von Bankaktien wie LendingClub sind irrelevant, falls der Zusammenbruch von US Banken sich zum Flächenbrand entwickelt und es zu einem Bank Run in der Breite des Marktes kommen sollte. Aber dann haben wir ehrlich gesagt alle ganz andere Probleme.

Fazit


Die Unsicherheit ist groß und auch ich habe längst nicht alle Informationen, die ich gerne hätte. Es deutet nichts darauf hin, dass LendingClub zu den jetzt besonders gefährdeten Banken gehören würde. Aber ausschliessen kann man zum jetzigen Zeitpunkt gar nichts. Daher warne ich davor, den Banken/FinTech-Sektor insgesamt überzugewichten.

Sollte sich die Lage wieder beruhigen, wovon ich nach den entschiedenen Reaktionen der US Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehe, so könnten wir beim LendingClub auch ganz schnell wieder deutlich höhere Kurse sehen.


Entscheidend für die Kursentwicklung 2023 wird es sein, ob es gelingt, wie geplant weiterhin profitabel zu wirtschaften. Ich vertraue dem Management und bleibe in LendingClub für mein investierbares Musterportfolio investiert.


Im Zuge von kleineren Rebalancing Transaktionen kaufe ich zu den aktuellen Ausverkaufspreisen die LendingClub Aktie sogar behutsam nach, ohne allerdings die bisher bescheidene Gewichtung des Banking/FinTech-Sektors im Portfolio zu erhöhen.


Wenn Du die weitere Entwicklung bei LendingClub gemeinsam mit mir weiterverfolgen möchtest, dann kannst Du jetzt hier meinen Newsletter abonnieren.


Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzt Aktien von LendingClub. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

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