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  • Stefan Waldhauser

Bringen Technologie­aktien dauerhaft höhere Renditen?



Vielen von Euch dürfte Gerd Kommer ein Begriff sein. Er ist der Bestseller Autor mehrerer Bücher über das passive Investieren mit ETFs und wird von vielen Privatanlegern als “ETF-Papst” regelrecht verehrt. Er vertritt die Ansicht, dass aktive Stock Picker wie ich nur ihre Zeit verschwenden, weil eine langfristige Outperformance gegenüber dem passiven Investieren mit ETFs nicht möglich sei.


Vor einigen Wochen hat er auf seinem Blog einen viel beachteten Artikel veröffentlicht, in dem er die Frage „Haben Technologieaktien dauerhaft höhere Renditen“ mit NEIN beantwortet. Seitdem werde ich immer wieder auf diesen Beitrag angesprochen mit der Bitte um eine Stellungnahme.


Here you go…


Worum geht es?


Das Autorenteam um Gerd Kommer will mit empirischen Daten und „sachlogischen Argumenten“ in ihrem o.g. Beitrag beweisen, dass Privatanleger irren, wenn sie glauben, dass Technologieaktien dauerhaft höhere Renditen als der Gesamtaktienmarkt oder Old-Economy-Branchen produzieren.


Mit statistischen Daten vom US Aktienmarkt über 50 Jahren hinweg (1970-2020) wird in diesem Artikel belegt, dass der Technologiesektor insgesamt (mit der Betonung auf insgesamt) langfristig keine attraktiveren Renditen produziert als der Gesamtmarkt und die Old Economy.


Dieses auf den ersten Blick doch sehr überraschende Fazit relativiert sich schon etwas, wenn man die Ergebnisse dieser Statistik-Übung etwas näher anschaut:

  • So entsprach die Rendite des High-Tech-Sektors über 50 Jahre hinweg inflationsbereinigt (6,8% p.a.) ziemlich genau derjenigen des allgemeinen Aktienmarktes (6,9%).

  • Wenig überraschend sind Technologieaktien volatiler als andere Aktien und hatten mit einem maximalen Drawdown von minus 81% bis September 2002 gegenüber minus 55% für den Gesamtmarkt größere zwischenzeitliche Verluste zu verkraften.

  • In den ersten 25 Jahren des Betrachtungszeitraums von 1970-1995 hinkten die High-Tech-Werte mit einer Rendite von nur 4,8% p.a. dem Gesamtmarkt (6,8% p.a.) deutlich hinterher.

  • In den letzten 25 Jahren (seit 1995) haben Technologieaktien dafür deutlich besser abgeschnitten als der breite Markt (8,9% p.a. gegenüber 7,1%).

  • In den vergangenen 5 Jahren 7/2015 bis 06/2020 erzielten Tech-Aktien eine ungewöhnlich hohe Rendite von 19,2% p.a. gegenüber 8,5% im Gesamtmarkt.

Diese Ergebnisse sind dann schon nicht mehr ganz so überraschend, sondern entsprechen schon eher meinen Vorstellungen.


Allerdings bleibt die für Anleger wesentlich interessantere Frage offen:


Wie werden Technologieaktien in den kommenden 25 Jahren von 2020-2045 im Vergleich zum Gesamtmarkt abschneiden?


Leider kann diese Frage durch keine empirische Studie mit wie auch immer gearteten Vergangenheitsdaten beantwortet werden. Da auch meine Kristallkugel immer noch kaputt ist, müssen wir alle uns darauf beschränken, Argumente auszutauschen und Du musst Dir Deine eigene Meinung bilden.


Sind Aktienmärkte effizient?


Die Autoren um Gerd Kommer erkennen in ihrem Beitrag ganz richtig, dass "Unternehmen im Sektor Informationstechnologie bessere Wachstumsaussichten als die meisten anderen Sektoren".


Aber sie können darin dennoch keine Investmentchance erkennen, denn ihre Meinung ist: "Diese besseren Wachstumsaussichten sind aber zu jedem beliebigen Zeitpunkt schon eingepreist, weil der ganze Markt sie kennt und für die Zukunft dann einfach voraussetzt.“


Und hier scheiden sich die Geister.


Denn Herr Kommer ist ein Finanzwissenschaftler, der die Markteffizienzhypothese vertritt, demnach die Preise am Aktienmarkt grundsätzlich alle verfügbaren Informationen widerspiegeln. Eine direkte Konsequenz davon sei, dass kein Marktteilnehmer den Markt langfristig schlagen kann.


Ich habe vor langer langer Zeit zwar auch eine akademische Ausbildung als Wirtschaftsmathematiker genossen. Aber ich bin kein Finanzwissenschaftler, sondern Unternehmer und Investor und vor allem bin ich Pragmatiker. Meine Meinung: die Theorie der effizienten Märkte, wonach alle verfügbaren Informationen bereits in den Kursen enthalten seien, entspricht einfach nicht der Realität, wenn es um die Aktienkurse einzelner Unternehmen geht.


Diese werden heute mehr denn je nicht von rationalen Transaktionen aufgrund der verfügbaren Informationen, sondern von der Psychologie der Marktteilnehmer und insbesondere immer mehr von kurzfristig orientierten Momentum-Tradern bestimmt.


Von den echten Unternehmenswerten außerhalb der Börse weichen die Aktienkurse dadurch oftmals sehr stark ab. Diese Übertreibungen nach oben und nach unten können sich geschickte Stock-Picker sehr wohl zunutze machen, um nachhaltige Outperformance zu erzielen.


Wie erklären die Verfechter der Markteffizienzhypothese eigentlich den jahrzehntelangen Erfolg legendärer Investoren wie Warren Buffet, Peter Lynch, u.v.m. Wird deren Lebenswerk allen Ernstes als lebenslanges Glück abgetan?


Diese Frage hat mir noch niemand beantworten können.


Die Digitalisierung als Investmentchance



Gar nicht einig bin ich mir mit Herrn Kommer über die Bedeutung der Digitalisierung. Er hält es für einfältig zu glauben, dass aus der Digitalisierung heraus eine Investmentchance resultiert.


Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass mit einem gezielten Investieren in die Digitalisierungsgewinner in den kommenden Jahren eine nachhaltige Outperformance sehr wohl möglich ist. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die Digitalisierung nicht nur die größte Veränderung sondern auch die größte Investmentchance unserer Zeit bietet.


Wobei dies nicht unbedingt bedeutet, dass die Technologieaktien im eigentlichen Sinne (also Hard- und Software) die großen Gewinner der nächsten Jahre sein müssen. Denn diese Branchen sind tatsächlich schon sehr teuer geworden durch die unglaublichen Kurssteigerungen der letzten Jahre.


Die eigentlichen Outperformer der nächsten Jahre könnten vielmehr all diejenigen Unternehmen sein, die Technologie geschickter als andere nutzen, um ihre Geschäftsmodelle auf das Zeitalter der Digitalisierung anzupassen. Im Endeffekt sind doch all diese Firmen Technologiefirmen, auch wenn sie anderen Branchen zuzuordnen sind. Siehe dazu das berühmt gewordene Essay von Marc Andreessen: Software is eating the world.


Warum Walmart besser als Intel performt


Am Ende des o.g. Kommer-Beitrages führt das Autorenteam anekdotisch aus, dass Walmart als angeblich langweiliger Supermarkt-Einzelhändler in den letzten 40 Jahren für seine Aktionäre 20,7% p.a. Rendite erzielte gegenüber nur 14,6% p.a. für Intel als angeblich weltweit größter Mikrochip-Hersteller. Das wird vom Kommer Team als weiterer Beleg dafür angeführt, dass Technologieaktien nicht besser performen müssen als Old Economy.


Ich musste diesen Absatz 3-mal lesen, weil ich kaum glauben konnte, dass Deutschlands bekanntester Passiv-Investor hier tatsächlich - ohne sich dessen bewusst zu sein - ein wunderbares Plädoyer für aktives Stock-Picking abgibt:


Denn Walmart ist eben kein langweiliger Supermarkt-Einzelhändler, sondern ist gerade in Digitalisierungsthemen in seiner Branche führend. Jeder Investor, der Walmart immer noch als "langweiliger Supermarkt-Einzelhändler“ betrachtet, sollte die Walmart-Analyse von Baki Irmak lesen. Walmart ist einer der großen Vorreiter der Digitalisierung im Handel.


Intel hingegen ist ein gutes Beispiel für einen ehemaligen Technologieführer, der schon seit vielen Jahren nicht mehr ansatzweise so innovativ ist wie in seinen glorreichen Tagen. Als weltgrößter Hersteller von Mikrochips ist Intel inzwischen abgelöst werden von TSMC (Taiwan Semiconductor). Nicht umsonst sind wir seit dem Start von The Digital Leaders Fund zwar in TSMC investiert, aber eben nicht in Intel. Hier kannst Du die Intel - TSMC - Story zur Wachablösung in der Chipindustrie nachlesen.


Kursentwicklung Walmart versus Intel von 2000 bis 2020


Es ist für jemanden, der Fundamentalanalyse einzelner Unternehmen betreibt, keine Überraschung, dass Walmart vor allem in den letzten 20 Jahren viel besser abgeschnitten hat als Intel.


Lohnt sich der Aufwand für das Stock Picking?


„Know what you own - and know why you own it“ ist eines meiner liebsten Zitate vom großartigen Peter Lynch.


Wer sich gemäß dieser Anlagephilosophie intensiv mit “seinen” Unternehmen beschäftigt und mit einer klaren Strategie in sorgsam ausgewählte Aktien investiert, der hat meiner 30-jährigen Erfahrung nach gute Chancen, dauerhaft besser abzuschneiden als mit einem passiven Investment in den Gesamtmarkt.


Aber das hat mit der Technologie-Branche wenig zu tun, sondern wir sind wieder bei der Grundsatzfrage aktives versus passives Investieren angelangt, zu der ich hier im Blog schon vor langer Zeit Stellung bezogen hatte.


Ich bin angetreten, um im Laufe der Jahre mit meinen Blogs und öffentlich einsehbaren Musterportfolios (High-Tech Stock Picking wikifolio) zu belegen, dass nachhaltige Outperformance sehr wohl möglich ist.


Fazit


Trotzdem möchte ich zum Abschluss betonen, dass ich mir in einem wesentlichen Punkt mit Gerd Kommer einig bin:


Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die High-Tech-Branche insgesamt auch in den kommenden Jahren den Gesamt-Aktienmarkt weiterhin outperformen wird. Es macht daher keinen Sinn, für die nächsten Jahre auf Technologie ETFs z.B. auf den MSCI World Information Technology Index oder irgendwelche anderen Themen ETFs zu setzen, nur weil die in den letzten Jahren so gut gelaufen sind.


Ein Aktienindex, der besonders hoch steigt, der kann auch besonders tief fallen. So hat die NASDAQ von 2000 bis 2002 ca. 80% verloren. Wer solche Volatilität im Falle eines Falles nicht aushalten kann, der sollte auch heute keinen NASDAQ ETF im Portfolio haben.


Kursentwicklung des Nasdaq Composite Index von 2000 bis 2002


Hier im Blog hatte ich küzlich dargestellt, warum Tech-ETFs eine riskante Wette auf die weitere Entwicklung von Apple und Microsoft sind. Soll heißen: Ich erwarte - genauso wie Gerd Kommer - dass die Technologieaktien - im Branchendurchschnitt gemessen - in Zukunft auch wieder mal unterdurchschnittlich abschneiden werden.


ETF-Anleger sollten daher lieber auf marktbreite Indizes setzen. Der MSCI World Index oder auch der amerikanische S&P 500 Index sind meiner Meinung nach eine bessere Wahl.


Wenn Du beobachten willst, wie der Wettstreit zwischen dem passiven Investieren mit ETFs und einem leidenschaftlichen Stock-Picker wie mir in die nächsten Runden geht, dann kannst Du jetzt hier meinen kostenlosen High-Growth-Investing Newsletter abonnieren.


Disclaimer:

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

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