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Stefan Waldhauser

Twilio Aktie: Ein alter Bekannter neu im Portfolio


Twilio Aktie

Die langjährigen Leser dieses Blogs kennen Twilio. Von Anfang 2018 bis 2020 war ich mit großem Erfolg schon einmal in die Aktie des CPaaS Marktführers (Communications Platforms as a Service) investiert und konnte damals dreistellige Gewinne realisieren.


Mit meinem Twilio Exit lag ich 2020 prinzipiell richtig, auch wenn ich mit meinem Ausstieg viel zu früh dran war. Wie viele andere SaaS Aktien auch war die Twilio Aktie danach bis Mitte 2021 auf unvorstellbare Höhen (über 400$) geklettert, um dann brutal bis auf 50$ abzustürzen.

Twilio Aktienkursentwicklung

Bis heute konnte sich die Twilio Aktie nicht erholen. Und doch habe ich mich jetzt zum Wiedereinstieg entschieden. Hier sind die Hintergründe zum erneuten Twilio Investment Case:


Die Twilio Historie

Twilio ist ein SaaS-Unternehmen aus dem Silicon Valley, das 2008 u.a. von Jeff Lawson, der bis Anfang 2024 auch als CEO fungierte, in San Francisco gegründet wurde. Das Unternehmen wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Kommunikation über das Internet einfacher und zugänglicher zu machen. Twilio entwickelte eine Cloud-Kommunikationsplattform, die es Entwicklern ermöglicht, Telefonie- und Messaging-Funktionen direkt in ihre Anwendungen zu integrieren, ohne dass sie sich um die zugrundeliegende Infrastruktur kümmern müssen.


Gründung und frühe Jahre

Das zentrale Konzept von Twilio war, Entwicklern eine einfache API (Application Programming Interface) zur Verfügung zu stellen, mit der sie Kommunikationsdienste wie Anrufe und SMS in ihre Anwendungen einbinden konnten. Diese Idee fand in den frühen Tagen der Cloud-Technologie großen Anklang, da sie Unternehmen die Möglichkeit bot, ihre Kommunikationslösungen zu skalieren, ohne in teure Hardware oder Telekommunikationsinfrastruktur investieren zu müssen.


Die erste Version der Twilio-API wurde 2008 veröffentlicht und ermöglichte es Entwicklern, mit nur wenigen Zeilen Code Anrufe zu tätigen und zu empfangen. Diese Innovation war ein großer Schritt vorwärts, da sie die Komplexität und Kosten der Integration von Kommunikationsdiensten erheblich reduzierte. In den folgenden Jahren erweiterte Twilio seine Produktpalette kontinuierlich um neue Dienste, darunter SMS, Videoanrufe und Chat. Das Unternehmen setzte stark auf die Entwickler-Community, um Twilios Position als führender Anbieter von cloudbasierten Kommunikationsdiensten zu festigen.


Börsengang und weitere Expansion

Twilio ging 2016 an die Börse. Der IPO war ein großer Erfolg, und der Aktienkurs stieg schon am ersten Handelstag vom Ausgabepreis von 15$ um über 90 %. Das Kapital aus dem Börsengang ermöglichte es Twilio, weiter zu expandieren, sowohl organisch als auch durch Übernahmen.


In den folgenden Jahren erweiterte Twilio seine Fähigkeiten durch die Akquisitionen mehrerer Unternehmen, darunter die Übernahme von SendGrid, ein führender Anbieter von E-Mail-Services, im Jahr 2019 für $3 Mrd. und Segment, ein Anbieter für Kundendaten, für $3,2 Mrd. im Jahr 2020.


Diese beiden aus heutiger Sicht überteuerten Übernahmen wurden mit damals ebenfalls hoch bewerteten Twilio Aktien bezahlt. Dadurch waren diese Transaktionen cash-schonend, aber sie führten zu einer starken Verwässerung der Twilio Aktionäre und zu einem Aufblähen der immateriellen Firmenwerte in der Twilio Bilanz.


Twilio heute

Der Twilio Umsatz steigerte sich seit dem Börsengang vor gerade mal 7 Jahren um den Faktor 15. Heute ist Twilio mit einem Umsatz von über $4 Mrd. ein globaler Marktführer im Bereich Cloud-Kommunikation bzw. CPaaS (Communications Platforms as a Service) und bietet eine breite Palette von Services an.


Twilio hat durch die Akquisition von Segment auch eine starke Präsenz im Bereich der Customer Engagement Platformen rund um Kundendaten entwickelt. Gerade die Kombination von Kommunikationsdiensten und Kundendaten versetzt Twilio in die Lage, Unternehmen ganzheitlich dabei zu unterstützen, bessere und effizientere Beziehungen zu ihren Kunden aufzubauen.


Der Management Wechsel

Soviel zur Theorie und der Vision des charismatischen Gründers Jeff Lawson. Leider hat die Integration der genannten großen Akquisitionen in den vergangenen Jahren in der Praxis - wie so oft - nicht reibungslos funktioniert. Zwei kleinere Akquisitionen wurden 2023 sogar wieder verkauft.


Die ehrgeizigen Wachstumsziele konnten nicht erreicht werden, Twilio erzielte gleichzeitig nicht die nötigen Fortschritte bei der Profitabilität. Und so kam es, wie es kommen musste: Jeff Lawson musste nach Ende des Geschäftsjahres 2023 abtreten und den Chefsessel an Khozema Shipchandler übergeben.


Der neue CEO ist bereits seit 2018 - nach einer langen General Electric Karriere - bei Twilio an Bord, seinerzeit war er als CFO eingestiegen. Khozema Shipchandler ist zwar weniger visionär als sein Vorgänger, dafür weiß er aber ganz genau was es braucht, um auf Basis von über 4 Mrd. Umsatz und einer riesigen Kundenbasis von zuletzt 316.000 aktiven Kunden endlich wieder Shareholder Value zu schaffen - zumindest ist das der Kern meines Investment Cases.


Zunächst mal stellte der neue CEO die schlecht laufende Segment Übernahme in Frage, ein Verkauf wurde Anfang 2024 geprüft und wieder verworfen. Stattdessen gab es die Entscheidung, Segment zu behalten, dieses Geschäft zu sanieren und besser in das Communications Kerngeschäft zu integrieren. Bis Mitte 2025 will man mit Segment die Profitabilität erreicht haben.


Markt und Wettbewerbsposition von Twilio

Der Total Addressable Market (TAM) für Twilio ist schwierig abzuschätzen, da er verschiedene Sektoren und Kommunikationsformen umfasst. Der Kernmarkt von Twilio ist der CPaaS-Markt, der laut Techanalysten bis 2026 auf über $50 Mrd. anwachsen soll. Twilio ist hier einer der führenden Anbieter.


Durch die Akquisition von Segment im Jahr 2020 hat Twilio seinen adressierbaren Markt erheblich erweitert. Der Markt für Kundendatenplattformen und Customer Engagement wird auf über $80 Mrd. geschätzt.


Insgesamt kann man davon ausgehen dass der TAM für Twilio weit mehr als $100 Mrd. groß ist. Da ist also noch mehr als genug Platz für weiteres Wachstum. Allerdings ist der Wettbewerb hart.


Twilio sieht sich als Marktführer einer Reihe von kleineren Wettbewerbern gegenüber, die sich in verschiedenen Bereichen der Cloud-Kommunikation positioniert haben.


Zu den größten Wettbewerbern gehören Vonage (früher Nexmo), die 2021 für über $6 Mrd. von Ericsson aufgekauft wurden und Sinch, ein weiteres börsennotiertes schwedisches Unternehmen. Die wichtigsten in USA börsennotierten Wettbewerber von Twilio sind Bandwidth und RingCentral. Weitere Wettbewerber, die versuchen, sich mit einem aggressiven Pricing als Twilio Alternative zu positionieren, sind Bird (früher MessageBird) aus den Niederlanden und Plivo.


Twilio Geschäftszahlen zum Q2 2024

Jahrelang war das Twilio Umsatzwachstum beschönigt durch die zahlreichen Übernahmen. Aktuell ist das Gegenteil der Fall, die ausgewiesenen Zahlen erscheinen etwas zu niedrig, da einige Randbereiche verkauft wurden. Fakt ist dennoch, dass Twilio - wie auch die meisten seiner Mitbewerber - im 1. Halbjahr nur noch ein einstelliges organisches Wachstum von ca. 7% aufwies.


Aktuell viel wichtiger als das magere Umsatzwachstum ist die Fokussierung auf Gewinn und Cashflow. In den vergangenen Quartalen konnte das Management durch konsequente Kosteneinsparungen beeindruckende Fortschritte bei der Profitabilität erzielen. Die EBIT Marge (GAAP) stieg innerhalb eines Jahres um 13 Prozentpunkte und ist jetzt dem Break-Even nahe. Die Free Cashflow Marge stieg sogar noch steiler an und betrug in den vergangenen 12 Monaten fast 20%.

Margenentwicklung bei Twilio

Im zweiten Quartal 2024 betrug der operative Verlust nach GAAP nur noch $19 Mio. nach $142 Mio. im Vorjahresquartal. Der Free Cashflow stieg im Jahresvergleich um über 170% auf $198 Mio.


Twilio Guidance 2024

Für 2024 erwartet das Twilio Management eine ca. 5% Steigerung des Umsatzes auf $4,4 Mrd. Bereinigt um die Verkäufe von unprofitablen Geschäftsbereichen entspricht das einem operativen Wachstum von ca. 7%.


Einen großen Sprung wird man im Gesamtjahr beim Profit machen. Nach der Erhöhung der eigenen Guidance erwartet Twilio nun schon für 2024 einen Free Cashflow von $650-675 Mio. bei einer Marge von gut 15%. Die Marge dürfte etwas geringer ausfallen als in den Vorquartalen, da die Mitarbeiter nun vermehrt in bar ausbezahlt werden und das Unternehmen bei den aktienbasierten Vergütungen deutlich weniger spendabel ist als in der Vergangenheit.


Ich gehe nach den äußerst optimistischen Aussagen im Q2 Analystencall davon aus, dass der Cashflow in den Folgejahren noch deutlich weiter ansteigt. Spätestens 2026 gehe ich von einem Free Cashflow von über $1 Mrd. aus.


Auch unterm Strich sollten dann (nach GAAP) spätestens 2026 deutlich positive Zahlen stehen, zumindest was das operative Geschäft angeht.


Firmenwerte bergen Abschreibungsrisiken

Ein Problem, das einem entsprechenden Nettogewinn im Wege stehen könnte, sind die hohen immateriellen Firmenwerte in der Twilio Bilanz, die aus den teuren Akquisition stammen.


Nach einer ersten Abschreibung im Zuge des Jahresabschlusses 2023 beträgt der Goodwill noch immer $5,2 Mrd. Daraus könnten in Zukunft weitere Abschreibungen resultieren, die nach GAAP zu einem entsprechenden Nettoverlust führen könnten, auch wenn das Unternehmen operativ profitabel ist.


Solche Goodwill-Abschreibungen sind zwar nicht cash- relevant, aber die entsprechenden negativen Nachrichten könnten dennoch den Twilio Kurs nochmals belasten.

Twilio Bilanz zum 30.Juni 2024

Ansonsten verfügt Twilio über eine stabile Bilanz. Den Schulden von 1,1 Mrd. stehen Cashreserven von $3,1 Mrd. gegenüber.


Aggressiver Aktienrückkauf

Sehr problematisch war in der Vergangenheit die erhebliche Verwässerung der Twilio Aktionäre durch die zahlreichen durch die Ausgabe von Aktien finanzierten Übernahmen. Dazu kamen hohe aktienbasierte Vergütungen für die Mitarbeiter.


Von 2019 bis 2023 hatte sich die Anzahl ausstehender Aktien nahezu verdoppelt.

Twilio Anzahl ausstehender Aktien

Unter dem neuen CEO hat Twilio sein 2023 begonnenes Aktienrückkaufprogramm noch aggressiver gestaltet: Das Unternehmen hat bis Q2 2024 eigene Aktien im Wert von $2,2 Mrd. zurückgekauft und will bis Ende 2024 weitere $0,8 Mrd. für Rückkäufe aufwenden.


Die Bewertung der Twilio Aktie

Bei einem Twilio Aktienkurs von 60$ beträgt der Enterprise Value von Twilio $7,8 Mrd. Das EV/Sales Verhältnis beträgt weniger als 2. Mitte 2021 hatte die Bewertung inmitten des Hype um Cloud-Aktien noch 66 Mrd. und das EV/Sales Verhältnis 35 betragen.


Diese Bewertung war damals natürlich eine abstruse Übertreibung nach oben. Heute sehe ich eine Übertreibung nach unten. Denn auf Basis der Zahlen der letzten 12 Monaten beträgt der Enterprise Value weniger als das 10-fache des Free Cashflows. Der Free Cashflow pro Aktie ist weiter im Steilflug und wird unterstützt durch das aggressive Aktienrückkaufprogramm.

Cashflowentwicklung bei Twilio

In einem einigermaßen freundlichen Börsenumfeld sehe ich bei Twilio eine gute Chance auf eine dreistellige Kurserholung innerhalb der nächsten 3 Jahre.


Ich würde mir per 31.12.2024 eine deutliche Abschreibung auf die aufgeblähten Firmenwerte in der Bilanz wünschen. Damit müsste man zwar für 2024 nochmals einen hohen Nettoverlust ausweisen, könnte aber dann 2025 nach diesem reinigenden Gewitter wieder neu durchstarten.


Fazit

Ich habe Twilio nach 2018 zum zweiten Male in das High-Tech Stock Picking wikifolio aufgenommen. Die ehemalige High-Growth-Aktie ist durch den konsequenten Sanierungskurs des neuen Managements jetzt endlich auf die Steigerung des Shareholder Values gepolt.


Derzeit sind nur wenige Investoren an der Twilio Aktie interessiert. Für mich ist das Unternehmen zu Aktienkursen um 60$ ein interessantes Investment für antizyklische und eher wertorientierte Tech-Investoren.


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Disclaimer: Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Twilio. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.




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