Vimeo Aktie: Und die Kristallkugel funktioniert doch!
- Stefan Waldhauser
- vor 2 Minuten
- 4 Min. Lesezeit

In dieser Woche gab die Videoplattform Vimeo aus meinem Musterportfolio bekannt, dass sie sich von der Börse zurückziehen und von Bending Spoons für 1,38 Mrd. USD übernehmen lassen wird. Das entspricht einem Enterprise Value von ziemlich genau 1 Mrd. USD. Wir Vimeo-Aktionäre erhalten eine Barabfindung von 7,85 $ pro Aktie. Das sind über 60 % mehr als der letzte Aktienkurs vor Bekanntgabe der Transaktion.
Der Ausstieg aus der Vimeo-Aktie
Ob dies ein Grund zum Feiern ist, hängt natürlich davon ab: Diejenigen, die kurz nach der Abspaltung von IAC im Jahr 2021 gekauft haben, werden durch diesen Ausstieg erhebliche Verluste erleiden. Gleiches gilt für institutionelle Anleger, die kurz vor der Abspaltung in Vimeo investierten, als das Unternehmen damals mit 5 Milliarden Dollar bewertet war.

Vimeo's Aktienkursentwicklung in 5 Jahren
Wer jedoch – wie ich selbst – in den letzten drei Jahren Vimeo-Aktien als „Fallen Angel“ aufgesammelt und dafür 3 bis 4 Dollar pro Aktie bezahlt hat, kann mit diesem Ausstieg recht zufrieden sein. Diejenigen, die vor wenigen Wochen noch zu einem Preis von unter 4 Dollar gekauft haben, werden wahrscheinlich begeistert sein.

Ich betrachte diese Transaktion mit gemischten Gefühlen: Einerseits verdiene ich mit dieser Übernahme viel Geld, denn Vimeo war zu einem Einstiegskurs unter 4 USD in meinen Portfolios hoch gewichtet. Andererseits bin ich überzeugt, dass der Käufer auch zu 7,85 USD ein Schnäppchen macht und sich das Unternehmen in den kommenden drei Jahren im Wert mindestens verdoppeln wird.
Aber es ist nun einmal so: Vimeo bekommt von seinen bisherigen Großaktionären keine Zeit mehr eingeräumt, um sich unabhängig weiterzuentwickeln. Stattdessen schlüpft das Unternehmen unter das Dach einer italienischen Heuschrecke namens „Bending Spoons“, die zuvor schon Evernote und MeetUp von der Börse genommen und ausgeweidet hat.
Vimeo hatte bereits Anfang 2024 mit Bending Spoons verhandelt. Damals hatten die Italiener zu wenig geboten und man konnte sich nicht über den Preis einigen. Jetzt hat der seit weniger als 18 Monaten amtierende CEO Philip Moyer also seinen Job getan, denn er wurde offenbar an Bord geholt, um das Unternehmen auf einen Verkauf vorzubereiten und einen besseren Preis auszuhandeln.
Das hatte ich nach seinem Amtsantritt im Mai 2024 in einem viel gelesenen Beitrag (hier nachzulesen) so formuliert:
“Wenn ich mir seinen Lebenslauf auf LinkedIn so anschaue, dann könnte es durchaus sein, dass er mit dem Ziel installiert wurde, das Unternehmen für einen mittelfristigen Verkauf aufzustellen. Denn vor seiner Zeit bei Google und AWS war Philip Moyer jahrelang als Partner bei einer Investment Firma und verkaufte in dieser Zeit 6 Unternehmen an strategische Käufer. Ich hoffe für alle Vimeo Aktionäre, dass es zumindest kurzfristig nicht zum Verkauf kommt, sondern dass man Vimeo die Zeit gibt, sich unabhängig zumindest noch einige Jahre lang weiterzuentwickeln. Auch wenn uns Aktionären eine Übernahme sicherlich mit einem ordentlichen Aufgeld versüßt werden würde.” Stefan Waldhauser, 8. Mai 2024
Nun ist es also doch so gekommen. Ich tröste mich mit dem 91-prozentigen Aufgeld, das die Italiener gegenüber dem Durchschnittskurs der letzten 60 Tage vor der Übernahme zahlen. Denn ich persönlich halte es nicht für ratsam, die Aktien zu behalten und auf einen höheren Abfindungskurs zu spekulieren.
Die Höhe des Aufgeldes, das bei der Vimeo Übernahme gezahlt wird, offenbart, wie stark solche SaaS-Werte aus der zweiten und dritten Reihe an der Börse derzeit unterbewertet werden, wenn sie auf der falschen Seite des KI-Hypes stehen.
Bei Bending Spoons handelt es sich nicht um einen echten strategischen Käufer, der jetzt einen besonders hohen Preis zahlen würde, um seine Pläne zu verwirklichen. Die Italiener sind vielmehr knallharte Finanzinvestoren, die dafür bekannt sind, Kostenstrukturen durch Massenentlassungen radikal zu senken und ihre Portfoliounternehmen auf höchste Profitabilität zu trimmen, um den Kaufpreis in Form von hohen Cashflows schnell wieder aus ihren Übernahmen herauszuziehen.
Das ist beim SaaS-Geschäftsmodell mit seinen wiederkehrenden Einnahmen sehr einfach möglich. Daher werden solche Unternehmen normalerweise auch viel höher bewertet als Hardware- oder Dienstleistungsunternehmen.
Der von Bending Spoons bezahlte Kaufpreis für Vimeo entspricht jetzt einem EV/Sale Verhältnis von 2,35 was für ein profitables und zumindest im einstelligen Bereich wachsendes SaaS-Unternehmen mit 78 % Bruttomarge günstig ist.

Umso erstaunlicher ist es, dass wir Kleinaktionäre uns jahrelang mit einem EV/Sales Verhältnis von ca. 1 an diesem Unternehmen beteiligen konnten. Ich freue mich für jeden einzelnen von euch, der diese Chance gemeinsam mit mir genutzt hat und jetzt schöne Gewinne realisiert.
Allerdings sollten wir Investoren in diesen Stunden auch an die Vimeo-Mitarbeiter denken. Für sie ist diese Übernahme nicht unbedingt eine gute Nachricht, denn viele werden wohl ihren Arbeitsplatz verlieren. Ich hoffe, die Mitarbeiter sind mit aktienbasierten Vergütungsstrukturen ausgestattet, wie es in der Branche üblich ist. Im Falle einer solchen Transaktion werden diese sofort zuteilungsreif und sorgen damit zumindest für eine schöne Abfindung.
Fazit
Ich fühle mich durch diesen Exit einmal mehr in meiner seit vielen Jahren bewährten HGI-Anlagestrategie bestätigt (hier die Grundlagen im kostenlosen eBook nachlesen), die nichts anderes ist als eine moderne Form des Value Investings.
Ich hatte mich fünf Jahre lang intensiv mit dem Unternehmen beschäftigt, viele Berichte auf meinem Blog veröffentlicht und war die ganze Zeit über davon überzeugt, dass Vimeo deutlich mehr wert ist als der Enterprise Value von 200–500 Mio. USD, zu dem es in den letzten Jahren an der Börse meist gehandelt wurde.
Leider konnte der wahre Wert von Vimeo an der Börse nicht realisiert werden. Nun wird das Unternehmen nach fünf unglücklichen Jahren als börsennotiertes Unternehmen für einen Enterprise Value von nur einer Milliarde US-Dollar wieder privatisiert.
An der Börse gibt es derzeit zwei Arten von Tech-Aktien: diejenigen, die vom Markt als KI-Aktien angesehen, entsprechend hoch bewertet werden und daher m.E. akut absturzgefährdet sind. Und viele andere, die von den Investoren ignoriert werden, weil sie voreilig als Verlierer der KI-Zeitenwende angesehen werden. Vimeo gehört in diese Kategorie.
Ich fühle mich mit diesen Aktien im Portfolio sehr wohl, wenn ich davon überzeugt bin, dass die Unternehmen in der realen Welt (außerhalb der Börse) einen höheren Wert haben. Dazu gehören beispielsweise Lyft, IAC, WBD, Angi oder auch PayPal, die ich entsprechend hoch gewichtet habe.
Ich plane übrigens, die nun frei werdenden Mittel aus dem Vimeo-Exit in den kommenden Tagen zumindest teilweise zu reinvestieren und einen weiteren „Fallen Angel” aus dem SaaS-Bereich neu ins Portfolio aufzunehmen.
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*Disclaimer: Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Vimeo. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.