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  • Stefan Waldhauser

Wandelanleihen, die tickenden Zeitbomben in den Bilanzen der Tech-Unternehmen



Könnt ihr Euch noch an die Zeit erinnern, als Tech-Unternehmen reihenweise Wandelanleihen zu 0% (oder nahe 0%) Zinsen ausgegeben haben? Das ist gar nicht mal so lange her und doch kommt es einem vor wie eine Geschichte aus einer längst vergangenen Zeit des kostenlosen Geldes.


Heute will ich mal etwas erläutern, warum diese Wandelanleihen als tickende Zeitbomben in den Bilanzen einiger Tech-Companies schlummern und was Du jetzt tun solltest, um etwaige Risiken in Deinem Portfolio zu erkennen.


Was sind Wandelanleihen (Convertible Notes) überhaupt?

Wandelanleihen, auch als Convertible Bonds oder Convertible Notes bezeichnet, sind spezielle Finanzinstrumente, die von Unternehmen zur Kapitalbeschaffung emittiert werden. Sie sind eine Alternative zur Kapitalerhöhung, kombinieren Eigenschaften von Anleihen und Aktien und bieten dem Anleger sowohl festverzinsliche Zinszahlungen als auch die Möglichkeit, die Anleihe in eine bestimmte Anzahl von Aktien des Unternehmens umzuwandeln.


Eine Wandelanleihe ist zunächst eine Schuldverschreibung, die regelmäßige Zinszahlungen (Kupons) bietet und am Ende der Laufzeit zum Nennwert zurückgezahlt wird, sofern sie nicht vorher in Aktien umgewandelt wurde. Die Besonderheit der Wandelanleihe besteht jedoch in der Umwandlungsoption, die dem Anleger das Recht gibt, die Anleihe in Aktien des Unternehmens umzutauschen. Die Bedingungen für die Umwandlung, wie das Umtauschverhältnis und der Umwandlungspreis, werden im Voraus festgelegt.


Wandelanleihen können prinzipiell sowohl für Unternehmen als auch für Anleger Vorteile bieten. Die Unternehmen profitieren von günstigeren Finanzierungskonditionen, da die Zinskosten aufgrund der Umwandlungsoption oft niedriger sind als bei herkömmlichen Anleihen. Anleger profitieren von der Möglichkeit, an der Wertentwicklung der Aktien teilzuhaben, während sie weiterhin feste Zinszahlungen erhalten.


Im Falle einer positiven Entwicklung der Aktien kann die Wandelanleihe somit ein attraktives Renditepotenzial bieten, während im Falle einer negativen Entwicklung die Anleger - normalerweise - zumindest die Zinszahlungen und Rückzahlung des Nennwerts erhalten.


Der Boom der Wandelanleihen in der Zeit des billigen Geldes

Das Finanzinstrument der Wandelanleihe gibt es schon sehr lange als Alternative zur klassischen Kapitalerhöhung. Aber gerade in der Zeit von 2018 bis 2021 gab es einen regelrechten Boom zu beobachten:


DocuSign, Atlassian, Twilio haben genauso wie ServiceNow, Okta, Workday und Adobe zwischen 2019 und 2021 Wandelanleihen jeweils in Milliardenhöhe ausgegeben und nur einen Zinssatz von max. 0,5% p.a. dafür bezahlt.


Unzählige Tech-Companies aus der zweiten und dritten Reihe haben das Finanzierungsinstrument der Wandelanleihe in dieser Zeit ebenfalls für sich entdeckt und profitieren bis heute von den günstigen Zinssätzen.


Die Laufzeiten dieser Wandelanleihen lagen in aller Regel zwischen 5 und 7 Jahren. D.h. sie sind meist zwischen 2024 und 2028 zur Umwandlung in Aktien oder eben zur Rückzahlung fällig.


Und hier lauert das Problem: Zum Zeitpunkt der Ausgabe waren die Emittenten in aller Regel davon ausgegangen, dass diese Anleihen niemals zurückgezahlt werden müssten, sondern dass die Anleger froh sein dürften, ihre Schuldverschreibungen gegen immer weiter im Wert steigende Aktien des Unternehmens eintauschen zu dürfen.


Nun ist es aber so, dass die Aktienkurse der Tech-Unternehmen nach dem Tech-Crash aus 2022 in vielen Fällen deutlich unter dem seinerzeit festgelegten Umwandlungspreis liegen. D.h. für die Anleger macht eine Wandlung in Aktien keinen Sinn. Die Anleihen sind also bei Fälligkeit zum Nennbetrag zurückzuzahlen.


Das ist in vielen Fällen kein Problem, nämlich genau dann, wenn in den 5-7 Jahren Laufzeit genügend Free Cashflow vom Emittenten generiert wird, um die Anleihen zurückzuzahlen. In allen anderen Fällen wird zum Ende der Laufzeit eine wesentlich teurere Umschuldung - oder aber eine Kapitalerhöhung mit entsprechender Verwässerung der Aktionäre - fällig.


Beispiel Alteryx

Wenn Du diesem Blog schon etwas länger folgst, dann erinnerst Du Dich vielleicht noch, dass ich von 2018-2021 recht erfolgreich in den Aktien des Datenanalyse-Anbieters Alteryx investiert war.


Auch Alteryx gehörte zu den Unternehmen, die 2019 für 0,5% bzw. 1% p.a. Zinsen Wandelanleihen ausgegeben haben: Und zwar insgesamt für $800 Mio. mit Laufzeit bis Ende 2024 und Ende 2026 (je $400 Mio.) (hier nachzulesen). Der Umwandlungspreis von ca. 190$ pro Aktie erscheint aus heutiger Sicht utopisch angesichts des aktuellen Alteryx Aktienkurses von ca. 50$.


Leider ist es dem neuen Alteryx Management bisher nicht gelungen, das (wiedererstarkte) Umsatzwachstum in Cashflow umzusetzen. Man kann es auch negativer formulieren: Das Wachstum der letzten Quartale wurde teuer erkauft!


Daher musste Alteryx jetzt eine Umschuldung vorbereiten: Im März 2023 gab man eine $450 Mio. Anleihe heraus, die bis 2028 mit sage und schreibe 8,75% p.a. verzinst wird. Anstatt 0,5% zahlt Alteryx also nun fast 9% Zinsen! Das sind anstelle von gut $2 Mio. nun fast $40 Mio. Zinsaufwendungen - und zwar Jahr für Jahr!


O Weia. Für mich ist Alteryx damit auf absehbare Zeit - nicht nur aber auch wegen des Kreditrisikos - kein Thema mehr. Sehr schade um das einst hervorragende Unternehmen... da ist einiges schief gelaufen. Aber das ist ein anderes Thema.


Was Du jetzt tun solltest

Ich rate Dir, Dein Portfolio und auch die Aktien auf Deiner Watchlist daraufhin zu prüfen, wie ihre Verschuldungssituation aussieht. Dabei kann Dir z.B. der aktien.guide gute Dienste leisten, wenn Du im aktien-guide Screener die Filter Verschuldungsgrad und Free Cashflow - Marge für Dein Portfolio benutzt (Premium-Funktionalität für aktien.guide Kunden).


Bei Unternehmen mit einem hohen Verschuldungsgrad (hier einfach erklärt) und gleichzeitig magerer Cashflow-Generierung solltest Du dann im Einzelfall genau anschauen, welche Anleihen in den kommenden Jahren zur Rückzahlung anstehen.


Für mein High-Tech Stock Picking wikifolio sieht die Situation so aus:

Verschuldung und Cashflow-Generierung im High-Tech Stock Picking wikifolio

Auffällig ist der astronomisch hohe Verschuldungsgrad von ZipRecruiter, der aufgrund des niedrigen ausgewiesenen Eigenkapitals zustande kommt. Ich hatte in der Investment Story zur ZipRecruiter Aktie schonmal die Finanzierung des Unternehmens erklärt: Nach dem Direct Listing (anstelle eines klassischen IPOs) beschaffte sich ZipRecruiter Anfang 2022 über $500 Mio. aus einer Unternehmensanleihe , die mit 5% verzinst und erst 2030 fällig wird. Auch aufgrund des bereits heute nachhaltig positiven Cashflows sehe ich darin kein Problem.


Elastic gehört auch zu den Software Companies, die 2021 eine Wandelanleihe ausgegeben haben. Damals erschient der Kupon von 4,125% p.a. teuer. Heute muss man konstatieren, dass das Elastic Management damals eine durchaus attraktive Finanzierung im Volumen von $575 Mio. verhandelt hat, denn die Laufzeit beträgt ebenfalls 8 Jahre bis 2029. Elastic verfügt über einen Cashbestand von $900 Mio. und dürfte in Kürze nachhaltig Cashflow-positiv sein. Von daher gibt es auch da wohl kein Problem.


Jetzt bist Du dran!

Es wird Zeit, die Werte in Deinem eigenen Portfolio auf ihre Verschuldungssituation hin zu überprüfen. Glaube mir: Es beruhigt ungemein, wenn Du dort keine Risiken findest.


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Disclaimer

Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile einiger der in diesem Beitrag genannten Unternehmen. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.









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