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Stefan Waldhauser

ZipRecruiter Aktie: Schrecken ohne Ende?


ZipRecruiter Aktie

Die ganz aufmerksamen Beobachter meines investierbaren Musterportfolios unter Euch haben es schon bemerkt: Ich habe in der vergangenen Woche nach den Quartalszahlen zum Q4 2023 die Position an der Jobvermittlungs-Plattform ZipRecruiter aufgelöst und dabei einen Verlust von 14% realisiert.


ZipRecruiter Aktienkursentwicklung

Wie immer nach einem Exit will ich die Fragen nach dem WARUM hier kurz beantworten.


Die kurze Antwort lautet:


ZipRecruiter hat sich in den vergangenen 12 Monaten seit dem Einstieg leider fundamental deutlich schlechter entwickelt als erwartet. Ich habe in dieser Zeit nicht genug Überzeugung aufbauen können, um diese Position beherzt und antizyklisch weiter auszubauen, sollte der Kurs weiter fallen. Daher musste ich jetzt verkaufen.


Ich hatte das in meinem Beitrag zum Umgang mit Buchverlusten einmal so formuliert:

Wenn Du Dir auch nach umfassender Analyse nicht sicher bist, ob ein Kursrückgang einer Aktie fundamental ungerechtfertigt ist, dann solltest Du lieber verkaufen...
Im Zweifel solltest Du also lieber eine Position mit Verlust auflösen als dem schlechten Geld weiteres gutes Geld hinterherzuwerfen.

Selbstverständlich bedeutet mein Ausstieg nicht, dass ich keine Hoffnung mehr auf einen Turnaround und wieder steigende Aktienkurse für ZipRecruiter habe. Aber das Hoffen auf bessere Zeiten ist keine gute Anlagestrategie.


Falls Dich die etwas ausführlichere Antwort interessiert, warum meine Überzeugung in ZipRecruiter ins Wanken geraten ist, obwohl das Unternehmen zuletzt die (niedrigen) Erwartungen an das Q4 übertroffen und 2023 die Profitabilität deutlich gesteigert hat?


Here you go:


Noch kein Ende der Umsatz-Talfahrt in Sicht


In der initialen Guidance für 2023 hatte das ZipRecruiter Management vor einem Jahr einen Umsatz von ca. $780 Mio. erwartet. Realisiert wurden 2023 letztendlich weniger als $646 Mio. nach $905 Mio. in 2022. Das ist ein Minus von 29%, welches sich zum Ende des Jahres hin sogar noch auf nahezu -35% vergrößert hat.


Für das Gesamtjahr 2024 traut sich das Management zum jetzigen Zeitpunkt (im Gegensatz zum Vorjahr) noch gar keine Guidance zu. Zu wenig prognostizierbar erscheint ihnen die weitere Entwicklung des Job-Markts in den USA.


Kurzfristig ist jedenfalls noch keine Erholung in Sicht: Für das laufende Q1 2024 sieht die enttäuschende ZipRecruiter Guidance nochmals einen Umsatzrückgang um über 30% auf nur noch ca. $120 Mio. vor. Zur Erinnerung: Zwei Jahre zuvor im Q1 2022 hatte der Umsatz noch $227 Mio. betragen.


Analysten erwarten im laufenden Geschäftsjahr insgesamt nochmals einen Umsatzrückgang von 17% auf $533 Mio., der dann den Tiefpunkt vor einer mehrjährigen Erholung markieren soll. Ich habe keine Ahnung, woher die Analysten die Zuversicht nehmen, einen deutlichen Aufschwung am US Arbeitsmarkt zu prognostizieren. Denn den wird es wohl benötigen, um den Turnaround beim Umsatz zu schaffen.


Marktposition ist unklar

Ein wichtiger Bestandteil meines ZipRecruiter Investment Cases war die Annahme, dass die ZipRecruiter Plattform in der Schwäche des Jobmarktes Marktanteile hinzugewinnt.


Daraufhin deutet vor allem die auch 2023 deutlich gestiegene Anzahl von Jobsuchenden auf der Plattform, der hohe Bekanntheitsgrad der ZipRecruiter Brand in den USA und die weiterhin guten Downloadzahlen der ZipRecruiter App.


Ich bin mir nach den jüngsten Ergebnissen dennoch nicht mehr so sicher, ob diese Marktanteilsgewinne wirklich real sind.


Der CEO Ian Siegel versichert das zwar in jedem Analystencall aufs Neue aber mich überzeugen seine auf die Job-Seeker-Seite fokussierenden Argumente nicht mehr wirklich:

Let me explain why we believe that and why we are confident that we're going to continue taking share in the future. I already mentioned that our organic job seeker traffic is up over 40% in 2023... Further, those job seekers were highly engaged.

Ian Siegel, ZipRecruiter CEO


Denn ein solcher digitaler Marktplatz benötigt für ein nachhaltiges Wachstum beide Seiten: Neben den Job-Suchenden müssen auch die Job-Anbieter ihr Engagement auf der Plattform erhöhen, damit beide Seiten vermehrt zueinander finden und für einen positiven Geschäftstrend sorgen. Davon ist leider aktuell wenig zu sehen.

LinkedIn ein übermächtiger Wettbewerber?

Skeptisch stimmt mich in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung der zu Microsoft gehörigen LinkedIn Plattform als vielleicht gefährlichster Online-Wettbewerber. Der Umsatz von LinkedIn ist in den letzten beiden Quartalen des Kalenderjahres 2023 jeweils um 8-9% gestiegen. Dies steht doch im krassen Gegensatz zum anhaltenden Umsatzeinbruch bei ZipRecruiter und wird von Ian Siegel zumindest öffentlich nicht anerkannt.

We definitely believe we are gaining market share. And while our top line has come down, we are certainly not alone there. Our entire industry has effectively suffered a decline.

Ian Siegel, ZipRecruiter CEO


Diese Aussage hat mich dann in ihrer Absolutheit doch verwundert, um es vorsichtig auszudrücken.


Mindestens genauso wichtig wie die Geschäftszahlen sind mir bei meinen Investmententscheidungen auch persönliche Erfahrungen aus Kundensicht. Und da gibt es eine erstaunliche Anekdote zu berichten: Wir vergrößern aktuell das Team des aktien.guide und sind auf der Suche nach eine(m)/r zusätzlichen erfahrenen Softwareentwickler(in). Eine einzige in diesem Fall sogar kostenlose Stellenanzeige bei LinkedIn brachte uns innerhalb kürzester Zeit ca. 100 Bewerbungen, darunter waren etliche aussichtsreiche Kandidaten.


Auch wenn das sicherlich ein Extrembeispiel ist: Warum sollte man in einem solchen Umfeld als Arbeitgeber auf ZipRecruiter oder andere Online-Services zurückgreifen, wenn genügend potentielle Kandidaten derart einfach und auch noch kostengünstig auf dem führenden Business-Netzwerk ansprechbar sind ?

Meine These lautet jetzt: Erst wenn in einem deutlich anziehenden Jobmarkt LinkedIn alleine nicht mehr zielführend ist, werden sich Unternehmen wieder darauf besinnen, dass sie mehr Geld für das Recruitment ausgeben müssen. Erst dann wird sich auch der Umsatztrend von ZipRecruiter wieder deutlich umkehren lassen.


Bilanz

Ich hatte in der ursprünglichen ZipRecruiter Investment Story darauf hingewiesen, dass das Unternehmen als Direktlisting an die Wall Street gelangt war. Zur Finanzierung hat man 2021 einen mit 5% p.a. zu verzinsenden Kredit aufgenommen anstatt beim IPO junge Aktien auszugeben. Aus der Fremdfinanzierung werden jetzt jährlich $25 Mio. Zinsen fällig.


Das ist auch auf dem niedrigen Umsatz- und Cashflow-Niveau kein existentielles Problem für das Unternehmen, da man nach wie vor deutlich profitabel ist und diese Zahlungen auch bei geringerem Geschäftsvolumen bewältigen kann.


Aber ich persönlich fühle mich als Investor nicht wirklich wohl mit einer Bilanz, die nach aggressiven Aktienrückkäufen im Verlauf von 2023 nahezu Null Eigenkapital enthält.


ZipRecruiter Bilanz

Die Bewertung der ZipRecruiter Aktie

Das Positive an der ZipRecruiter Geschäftsentwicklung ist, dass es dem Management wie versprochen dank eines rigorosen Sparkurses tatsächlich gelungen ist, im Downturn des Marktes die Profitabilität nicht nur zu erhalten, sondern sogar (in absoluten Zahlen) noch auszubauen.


Die ZipRecruiter Aktie wird zum 12-fachen des Free Cashflows aus 2023 bewertet. Das wäre durchaus attraktiv, sofern ich davon überzeugt wäre, dass dieser Cashflow nicht nur nachhaltig ist, sondern ab 2024 weiter gesteigert werden kann. Dies wird jedoch wohl nur gelingen, falls der negative Umsatztrend sich im Jahresverlauf umkehrt. Und das ist alles andere als sicher.


Das optisch günstige EV/Sales Verhältnis von 2 ist nicht vergleichbar mit der Bewertung anderer SaaS-Unternehmens, deren Geschäftsmodell auf wiederkehrenden Subskriptionen basiert. Das ZipRecruiter Business ist extrem zyklisch und selbst wenn es in einigen Jahren tatsächlich gelingen sollte, neue Rekorde bei Umsatz und Gewinn zu erzielen, so werden die Bewertungsrelationen der Aktie relativ niedrig bleiben, einfach weil die Nachhaltigkeit dieser Zahlen nicht gegeben ist.


Fazit

Ich habe die Geduld mit ZipRecruiter verloren. Es kann durchaus sein, dass mein Verkauf sich - in einigen Jahren betrachtet - als Fehler herausstellen wird. Aber das ist dann OK.


Denn meine Entscheidung heute war eindeutig: Da ich die Überzeugung in eine langfristig positive Entwicklung verloren habe und im Falle weiterer Kursverluste nicht zum Nachkauf bereit bin, musste ich die ZipRecruiter Aktie verkaufen.


Die konsequente Realisierung von Buchverlusten beim Wackeln eines Investment Cases gehört dazu. Und ist auch kein Beinbruch. Glücklicherweise muss man als Stock-Picker am Aktienmarkt nicht immer richtig liegen, um langfristig überdurchschnittliche Renditen zu erzielen.


Du willst den Verlauf meiner Investments (positiv wie negativ) in Zukunft gemeinsam mit mir weiter verfolgen? Dann melde Dich doch jetzt hier zu meinem kostenlosen wöchentlichen High-Growth-Investing Newsletter an.



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