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Guidewire - Der Profiteur des digitalen Wandels in der Versicherungsbranche

Stefan Waldhauser

Guidewire - Wortwolke

Dies ist - aus aktuellem Anlass - ein Update eines bereits im September 2017 erstmals veröffentlichten Beitrages. Denn ich habe mein Investment in Guidewire nach den Zahlen zum 3. Quartal des Geschäftsjahres 2017/12018 nun (vorerst) beendet.

Die Versicherungsbranche weltweit hat mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Denn das Kundenverhalten verändert sich grundlegend im Zeitalter der Digitalisierung. Alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, neue Wettbewerber treten in den einstmals verkrusteten Markt ein. Die Digitale Transformation der Versicherungsbranche schreitet unaufhaltsam voran.

Ich will Euch heute ein Unternehmen vorstellen, dass wie kaum ein anderes diesen Transformationsprozess in der Versicherungswirtschaft weltweit mit vorantreibt und davon profitiert.

Das Unternehmen

Es handelt sich um das US-Softwareunternehmen Guidewire, welches in 2001 gegründet wurde und seit 2012 börsennotiert ist. Guidewire ist 100% fokussiert auf Standardsoftware für Schaden- und Unfallversicherungen. Diese Branche schlägt sich heute noch weitestgehend mit eigenentwickelten Softwarelösungen rum, die vor 20-30 Jahren mit veralteten Tools und Entwicklungsumgebungen (z.B. COBOL) entwickelt wurden. Jetzt wird der Druck immer grösser, diese Eigenentwicklungen durch moderne Standardsoftware zu ersetzen, auch um sich für neue Geschäftsmodelle fit zu machen. Diese Standardsoftware kommt immer öfter von Guidewire, die komplette Branchenlösungen anbieten können für alle wichtigen Kernprozesse in einer Schaden- und Unfallversicherung wie Antragsbearbeitung, Policen-Management, Schadensbearbeitung oder Kundenkommunikation.

Die Wettbewerbssituation

Guidewire ist in der tollen Situation, dass sie kaum einen ernstzunehmenden Wettbewerber haben, der ähnlich umfassende Lösungen für Versicherer anbieten könnte. Es geht im Vertrieb von Guidewire meist eher darum, im Rahmen einer "Make or Buy" Entscheidung gegen die IT-Abteilung der Kunden anzutreten, die in früheren Jahren die Kernsysteme der Versicherungen eigenentwickelt hatten. Doch neben den immer enger werdenden Budgets spielt hier auch die Zeit für Guidewire. Denn es kann sich heute fast keine Versicherung mehr leisten, bei der Einführung neuer Produkte Jahre auf eine Eigenentwicklung zu warten. "Time to Market" heisst hier das Zauberwort - und da bietet Guidewire die überlegene Alternative, da eine Standardsoftware nur noch angepasst anstatt komplett eigenentwickelt werden muss.

Die Kunden

Bisher haben sich 330 Versicherungsunternehmen weltweit für Guidewire entschieden, die Kundenzahl ist damit im letzten Geschäftsjahr um 26% gestiegen - allerdings begünstigt durch zwei kleinere Akquisitionen. Es handelt sich generell um ein Großkundengeschäft mit den einerseits entsprechend langen Vertriebszyklen (das ist schlecht 😉 ) und andererseits langjährigen Kundenbeziehungen (das ist sehr gut 😉 ). Mit diesen Kunden wird im Geschäftsjahr 2017/2018 ein Umsatz von ca. $650 Mio. erwirtschaftet, das ist ein Wachstum von ca. 27% gegenüber dem Vorjahr.

Das Geschäftsmodell

Gut planbar wird das Geschäft vor allem dadurch, dass Guidewire schon seit jeher auf jährlich wiederkehrende Umsätze gesetzt hat. Diese werden realisiert durch eine zeitliche Beschränkung der Software-Lizenz. Für die Kunden ist es sehr aufwendig bzw. in der Praxis nahezu unmöglich, eine einmal implementierte Guidewire-Software wieder abzulösen. Daher kann man davon ausgehen, dass die Rate der Bestandskunden, die ihre Lizenzvereinbarung erneuern, wie in der Vergangenheit auch bei nahezu 100% liegen wird. Guidewire ist kein reines Cloud-Unternehmen auch wenn das vom eigenen Marketing gerne so dargestellt wird. Das Kernprodukt InsuranceSuite ist eigentlich eine klassische On-Prem-Software, die aber flexibel entweder im eigenen Rechenzentrum oder aber bei Cloudprovidern wie Amazon Web Services betrieben werden kann. Daneben gibt es eine zugekaufte allumfassende echte Cloud-Lösung InsuranceNow, die aber eher für kleinere Versicherungen mit einfacheren Anforderungen geeignet ist.

Die Phantasie

Immer mehr Versicherungen erwarten von Ihren Lösungsanbietern, dass diese ihnen nicht nur Software verkaufen, sondern auch den Betrieb der kompletten Lösung in der Cloud sicherstellen können. Guidewire geht nun diesen Weg auch mit ersten Großkunden und kann damit zukünftig einen wesentlich größeren Teil der Wertschöpfungskette mit einem eigenen SaaS-Angebot abdecken (Software as a Service). Ich rechne damit, dass sich das Unternehmenswachstum durch diese Entwicklung eher noch beschleunigen dürfte. Mindestens 20% Umsatzwachstum erwarte ich mir daher noch über viele Jahre hinweg auch bei stetig wachsender Unternehmensgröße.

Der Investment Case

Ich habe im Frühjahr 2017 erstmals in Guidewire investiert unter der grundsätzlichen Annahme, dass hier tatsächlich ein selbständiger Player heranwächst, der den vertikalen Milliardenmarkt der Versicherungs-Kernsysteme für die nächsten 20-30 Jahre beherrschen könnte. Evtl. sogar nicht nur als Softwarelieferant, sondern als Business-Process-Outsourcer, der einen guten Teil der Wertschöpfungskette übernimmt.

Allerdings könnte es auch gut sein, dass Guidewire in der Zwischenzeit von einem der grossen Softwarekonzerne für einen strategischen Preis übernommen wird. Ich denke da z.B. an Salesforce, die schon heute im Rahmen einer Partnerschaft eng mit Guidewire zusammenarbeiten.

Die Bewertung

Seit meinem Einstieg vor 15 Monaten ist die Guidewire-Aktie (zu schnell?) um 50% gestiegen auf aktuell über $90. Die Aktie ist mittlerweile sehr teuer geworden und das Unternehmen wird mit dem 9-fachen des aktuellen Umsatzes bewertet. Damit wird Guidewire ähnlich hoch bewertet wie die erfolgreichsten SaaS-Unternehmen, obwohl das Unternehmen einen guten Teil seines Umsatzes mit weniger margenträchtigen Services erzielt. Angesichts der aktuell rückläufigen Gross-Margins und dem hohen Services-Anteil ist das für mich ein zu hoher Preis. Daher habe ich heute konsequenterweise meine Position aus dem High-Tech Stock Picking wikifolio verkauft.

Andererseits werden erstklassige Unternehmen immer teuer sein. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass Guidewire in 10 Jahren deutlich mehr wert ist als heute. Allerdings denke ich, dass man hier nochmal deutlich günstiger einsteigen kann in der Zukunft. Denn der Kurs ist der Unternehmensentwicklung nun doch schon schätzungsweise 2-3 Jahre vorausgeeilt. Ein größerer Rückschlag würde mich also nicht überraschen.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

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