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Stefan Waldhauser

Warum Buy and Hold keine gute Aktien-Strategie (mehr) ist


Lebenserwartung Unternehmen S&P 500

In meinem viel gelesenen Blog-Beitrag zum Herdentrieb an der Börse habe ich in einem Nebensatz erwähnt, dass zukünftig das Buy and Hold von Einzelaktien in Zeiten der digitalen Transformation und Umverteilung keine gute Strategie mehr sei.

Mit dieser Äußerung habe ich anscheinend in ein Wespennest gestochen, denn mich haben gleich mehrere aufgeregte Nachrichten von Lesern erreicht, die das offenbar ganz anders sehen. Ein erfahrener Anleger und promovierter Buchautor schrieb mir:

„Selten so einen Schwachsinn gelesen - Ich investiere nun seit vielen Jahren an der Börse und habe es zu einigem Wohlstand gebracht und immer wieder kommen die gleichen Analysten daher und reden den selben Stuss wie seit 50 Jahren… Buy and Hold ist nicht mehr opportun? So so, damit bin ich allerdings zu meinem Vermögen gekommen... Für den echten Investor hat sich an der Börse seit 100 Jahren absolut nichts geändert und das wird auch in Zukunft so sein.“

Das war also schon immer so und deswegen wird es auch immer so sein. Ups...

Ich möchte auch aufgrund solcher Zuschriften mit diesem Beitrag ein bisschen näher erläutern, warum in den kommenden Jahrzehnten tatsächlich nicht mehr funktionieren wird was in den letzten Jahrzehnten ziemlich gut funktioniert hat.

Worum geht es mir?

Um nur bloss keine Missverständnisse aufkommen zu lassen zunächst eine Klarstellung: Ich bin ein großer Befürworter von langfristigen Investments. Das Buy and Hold von gesamten Märkten (z.B. durch das Investment in einen breiten Aktienindex via ETF) ist eine durchaus vernünftige Idee für Anleger, die wenig Zeit für ihre Geldanlage aufwenden wollen, niemandem ihr Geld anvertrauen möchten und mit einer durchschnittlichen Rendite zufrieden sind.

Worum es mir mit diesem Beitrag geht ist der Hinweis darauf, dass das Buy and Hold von Einzelaktien - also der Kauf von „guten" Unternehmen mit steigenden Dividenden und das Halten dieser Anteile über Jahrzehnte hinweg und durch Rezessionen hindurch - in der Zukunft nicht mehr automatisch zu Wohlstand und finanzieller Freiheit führen wird.

Der Grund dafür ist leicht nachzuvollziehen, wenn man sich die US-Studie von Innosight zur Lebenserwartung von Unternehmen ansieht, die zuletzt 2018 aktualisiert wurde und die Du hier herunterladen kannst.

Die Lebenserwartung von Unternehmen geht drastisch zurück

Die Autoren beschreiben, dass die Lebenserwartung von Unternehmen im S&P 500 Index (darin sind die 500 größten Unternehmen der USA enthalten) in der kommenden Dekade weiter drastisch zurückgehen wird.

Während sie im Jahr 1964 noch 33 Jahre betrug, ist sie bis 2016 - also innerhalb von über 50 Jahren - auf 24 Jahre gesunken. Und innerhalb einer einzigen Dekade bis 2027 soll sie sich nun weiter auf nur noch 12 Jahre halbieren.

Innosight Waves

Das ist eine drastische Veränderung der Unternehmenslandschaft in vergleichsweise kurzer Zeit. Zumindest wenn die Finanzmarktforscher von Innosight Recht behalten mit ihrer Prognose.

Anders ausgedrückt bedeutet das, dass ungefähr die Hälfte der Unternehmen im S&P 500 innerhalb der nächsten 10 Jahre ihren Platz dort verlieren und ausgetauscht werden wird.

Diese Bewegung geht in Wellen vor sich, welche die allgemeine Wirtschaftslage sowie die Disruption durch neue Technologien (Cloud-Computing, Social Media) und somit insgesamt den Fortschritt der Digitalisierung widerspiegeln.

Leider habe ich keine vergleichbaren Zahlen für Deutschland oder Europa gefunden. Das wäre doch mal eine interessante Studie, oder? Eventuell eine Idee für eine(n) jungen Leser(in), der/die ein spannendes Thema für eine quantitative Studie im Rahmen einer Bachelor-Arbeit o.ä. sucht. Meine These: da die Treiber dieser Entwicklung globale Phänomene sind, dürften die Zahlen hierzulande nicht wesentlich anders ausfallen als in der US-Studie.

Stell Dir doch einmal vor, wie eine auf Buy and Hold basierende Dividendenstrategie auf der Basis von Einzelaktien funktionieren soll in einer Welt, in der junge Unternehmen rasant an Bedeutung erlangen, immer schneller in die großen Indizes aufsteigen und dann wenige Jahre später oftmals wieder in der Versenkung verschwinden. Schwierig vorstellbar oder?

Wie kommt es zu dieser Fluktuation im S&P 500?

Derzeit benötigt ein US-Unternehmen eine Marktkapitalisierung von ca. $6 Mrd. für die Aufnahme in den S+P 500. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen warum Unternehmen aus einem solchen Index wieder rausfallen: Sie können aufgrund eines zu geringen Wachstums von anderen Unternehmen in der Rangliste „überholt" werden. Sie können aufgrund eines Mergers oder einer Übernahme vom Kurszettel verschwinden oder auch im Rahmen einer Private-Equity-Transaktion von der Börse genommen werden.

In den letzten Jahren sind ehemals führende Unternehmen der Old Economy wie Alcoa, DuPont, Staples, Whole Foods ebenso wie zurückgebliebene IT-Companies aka Yahoo, Dell Computer oder EMC aus dem Index rausgefallen.

Die Digitalisierung hat in Verbindung mit der Verfügbarkeit von ehemals unvorstellbaren Summen an Risikokapital und Private Equity in USA dazu geführt, dass bestehende Unternehmen in einer nie zuvor gesehenen Geschwindigkeit von digitalen Plattformen mit ihren disruptiven Geschäftsmodellen angegriffen werden können.

Gibt es sichere Häfen?

Besonders zerstörerisch wirken diese Kräfte im Einzelhandel, im Energiesektor sowie in der Finanzwirtschaft. Die Anhänger der Buy+Hold-Strategie argumentieren gerne, dass die Unternehmen der Konsumgüterindustrie (z.B. Nahrungsmittel, Hygieneartikel) und die Pharmaindustrie nicht nur weniger konjunkturanfällig, sondern auch immun gegen die disruptiven Kräfte der Digitalisierung seien. Und tatsächlich funktionieren diese Branchen im Wesentlichen noch so wie im letzten Jahrhundert.

Allerdings fällt es sehr schwer, sich ein diversifiziertes und zukunftsorientiertes Aktienportfolio nur aus solchen Werten zusammenzustellen. Ganz abgesehen davon, dass diese Aktien für viele Investoren als angeblich sicherer Zufluchtsort dienen und in den vergangenen Jahren entsprechend teuer -und damit die Dividendenrenditen niedriger- geworden sind.

Ich beobachte dass immer wieder die gleichen „Dividendenaristokraten“ für eine Buy&Hold Strategie empfohlen werden. So werden Unternehmen genannt, die über 25 Jahre hinweg ihre Dividende jährlich erhöht, aber zumindest niemals gesenkt haben. Gerade die auf höchste Sicherheit bedachten deutschen Anleger (und zwar sowohl Privatanleger als auch Finanzprofis) sehen solche Aktien heute zunehmend als Ersatz für sichere Anleihen an.

Vorsicht vor den vermeintlich "sicheren" Dividendenaristokraten

Aber bereits heute kommt es immer wieder vor, dass die Dividende nicht durch einen steigenden Free Cashflow gesichert wird, sondern aus der Substanz bezahlt wird. In dieser Liste der Dividenden-Aristokraten von Torsten Tiedt sind 23 (von 106) Unternehmen enthalten, die mehr als 100% ihres Cashflows ausschütten.

Unter den 250 wichtigsten deutschen börsennotierten Firmen genügt nicht einmal jede zehnte den höchsten Ansprüchen nachhaltiger Dividendenqualität, die Bloggerkollege und Bestseller-Autor Christian W. Röhl mit seinem Dividendenadel (hier nachzulesen) definiert hat.

Meist ist dem Management dieser Dividendenaristokraten die Dividende heilig und so wird auch im Zeitalter der Digitalisierung in diesen Unternehmen oftmals gespart anstatt in die Zukunft zu investieren. Denn man will ja die Ausschüttung aufrechterhalten. Wenn der Druck dann doch zu groß wird und die Dividende gekürzt oder gar gestrichen werden muss stellt sich heraus wie trügerisch diese Sicherheit der Dividendenaristokraten ist. Aber dann ist es oftmals schon zu spät und das ausgezehrte Unternehmen hat bereits heftig an Wert verloren.

Denn auch hohe Ausschüttungen schützen keinesfalls vor Kursverlusten.

Die Aktionäre der Deutschen Bank, deren Ausschüttung früher als heilig galt, wissen was ich meine.

Der traditionsreiche Konzern General Electric (GE), der seit 1899 ununterbrochen eine Dividende zahlt, hat diese in 2018 um 96% gekürzt. Die GE Aktie selbst hat in den vergangenen drei Jahren 75% ihres Wertes eingebüßt.

Solche Aktien wie die der Deutschen Bank oder GE aber waren es, die früher unbesehen und sehr erfolgreich am besten jahrzehntelang in den Depots lagen und auch gerne mal weitervererbt wurden.

Damit ist es nun vorbei. Die Aktionäre von Traditionskonzernen werden in der kommenden Dekade immer wieder mal böse Überraschungen wie bei GE oder der Deutschen Bank erleben. Aktien mit hohen Dividendenrenditen können da übrigens besonders risikoreich und tückisch sein.

Fazit

Die Welt wird im Zeitalter der Digitalisierung in rasender Geschwindigkeit neu verteilt. Und es ist in diesen Zeiten wichtiger denn je, die Unternehmen zu verstehen, in die man investiert. Zumindest einmal pro Quartal sollte man sich über die fundamentale Entwicklung seiner Unternehmen informieren. Ein Blick auf den Aktienkurs und auf die Dividendenzahlung reicht da bei weitem nicht aus.

Wer diesen Aufwand nicht treiben will oder kann, der sollte dann doch lieber anstatt in Einzelaktien in ETF’s oder in ausgewählte aktive Fonds und wikifolios investieren. Da ist dann auch Buy+Hold eine gute Idee - allerdings nur dann, wenn man den Verantwortlichen, die hinter dem Anlageprodukt stehen, vertraut.

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