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  • Stefan Waldhauser

Warum Du Deine Einstiegskurse ignorieren solltest


Wirecard Learning

Ich habe lange überlegt, ob auch ich noch meinen Senf zum Debakel um die Wirecard Aktie dazugeben soll.

Es ist so traurig was da passiert: In diesen Tagen erleidet die ohnehin unterentwickelte deutsche Aktienkultur wieder einmal einen herben Rückschlag. Viele Kleinanleger haben genauso wie etliche Finanzprofis mit der Wirecard Aktie eine Menge Geld verloren. Die Aktie hat heute an einem Tag 2/3 ihres Wertes verloren. Der Grund: Der Abschlussprüfer der Wirecard AG hat darüber informiert, dass über die Existenz von Bankguthaben in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen waren.

Ich glaube zum Thema Wirecard ist auf den unterschiedlichsten Medien eigentlich schon alles gesagt. Daher geht es mir mit diesem Beitrag nicht darum, die tragische Geschichte aufzuarbeiten, sondern eher darum, was ihr aus diesem Drama für Eure eigene Aktien-Anlagestrategie lernen könnt - und zwar unabhängig davon, ob ihr selbst leidgeprüfter Wirecard-Aktionär seid oder nicht.

Immer wieder wurden Baki Irmak und ich seit dem Start unseres Fonds darauf angesprochen, warum wir denn mit The Digital Leaders Fund nicht in Wirecard investiert seien. Immer wieder haben wir erklärt, warum Wirecard für uns nicht investierbar ist.

Insgesamt hat Baki seit 2018 dazu gleich dreimal auf dem DLF-Blog Stellung bezogen. Es ist sehr interessant, sich diese Blog-Serie aus heutiger Perspektive nochmals durchzulesen. Vor allem der Titel seines Wirecard-Beitrags aus dem September 2018 trifft den Nagel auf den Kopf: „Der Zweifel ist Dein bester Freund“

Was ist das Learning aus dem Fall Wirecard?

Du solltest mit einer gesunden Portion Misstrauen an die Aktienanalyse herangehen und den vorgelegten Zahlen nicht blind vertrauen, gerade wenn sie einfach "zu gut, um wahr zu sein“ aussehen.

Und Du solltest kritischen Stimmen besonders gut zuhören, wenn sie nicht Deiner bullishen Meinung über eine Aktie entsprechen.

Keinesfalls darfst Du Dich in eine Deiner Aktien verlieben und schlechte Nachrichten einfach ausblenden.

In früheren Jahren bin ich selbst gleich zweimal Opfer eines Bilanzbetruges geworden. Allerdings ging es damals um marktenge Nebenwerte aus dem Ausland und nicht um einen DAX-Wert. Es schockiert mich selbst, dass so etwas sogar in der höchsten deutschen Börsenliga möglich sein soll. Und dass die größten und renommiertesten deutschen Fondsgesellschaften da dennoch massiv investiert sind. Die Bafin als Regulierungsbehörde hat wohl ebenfalls versagt und Wirecard durch ein Leerverkaufsverbot auch noch beschützt. Ohne Worte...

Seitdem ich selbst vor vielen Jahren aufgrund von Bilanzbetrug mein Lehrgeld bezahlt habe, ist für mich bei jeglichem Investment das grundsätzliche Vertrauen in die handelnden Personen noch wichtiger als die vorgelegten Zahlen.

Heutzutage kann jeder Privatanleger das Management "seiner" Unternehmen live via Internet-Stream, in Analysten-Calls oder zumindest in Video-Aufzeichnungen erleben. Frage dich bei aufmerksamer Beobachtung dieser Menschen immer, ob Du mit ihnen in Deinem Privatleben gerne Geschäfte machen würdest. Bei einigen Managern sagt mein Bauchgefühl da schon „NEIN“ - dann gucke ich die Geschäftszahlen gar nicht mehr näher an.

Wahrscheinlich muss man das eigentlich Unvorstellbare einer Bilanzfälschung tatsächlich selbst mal erlebt haben, um daraus für die Zukunft zu lernen.

In der letzten Woche erst sprach ich mit einem befreundeten Privatanleger, der trotz seiner mittlerweile vorhandener Bedenken die Wirecard Aktien in seinem Depot nicht verkaufen wollte und zuletzt seine Position sogar nochmal „verbilligt“ hatte. Auf meine Frage, warum er denn nicht verkauft, sagte er: „Weil ich niemals eine Aktie im Minus verkaufe“.

Denkst Du vielleicht ähnlich?

Für mich ist diese Einstellung einer der schlimmsten Fehler, den Du bei der Entwicklung Deiner Anlagestrategie begehen kannst. Aber anhand des aktuellen Wirecard-Beispiels kannst Du vielleicht lernen, diesen grundsätzlichen Anlegerfehler in Zukunft nicht (mehr) zu machen.

Meine Botschaft dazu ist:

Dein Einstiegskurs darf für deine Verkaufsentscheidung keine Rolle spielen.

Die Entscheidung über einen Einstieg hast Du in der Vergangenheit aus hoffentlich guten Gründen getroffen: "Know what you own - and know why you own it“ (Peter Lynch).

Mittlerweile hat sich das Rad der Zeit aber weitergedreht und es liegt für "Dein" Unternehmen vielleicht eine neue Situation mit neuen Informationen vor. Du solltest in Deinem Depot keine Aktie besitzen, die du nicht auch zum heutigen Kurs und mit heutigen Informationen noch guten Gewissens kaufen würdest.

Ein Aussitzen von Verlusten war noch nie eine gute Lösung. Auch nach 50% Buchverlust besteht immer noch das Risiko von weiteren 100% Verlust. Immer wieder mal gibt es Konkurse von börsennotierten Unternehmen und daraus resultiert meist dann ein Totalverlust bei den Aktionären. Daher ist die gute Diversifikation eines Portfolios so wichtig.

Am besten wäre es tatsächlich, wenn Du Deinen Einstiegskurs bei der Entscheidung über einen Verkauf grundsätzlich nicht berücksichtigst. Mir ist natürlich auch klar, dass das in der Praxis schlecht funktioniert, da die üblichen Tools zur Depotverwaltung uns ja immer die Entwicklung einer Position in meist grünen oder roten Farben signalisieren.

Ich empfehle Dir aber generell, das weitgehend zu ignorieren und stattdessen in regelmäßigen Abständen (mindestens 1x pro Quartal) bewusst darüber nachzudenken, ob Du Deine Aktien im Depot auch zum heutigen Preis noch kaufen würdest.

Fühlst Du Dich als Miteigentümer "Deiner" Unternehmen wohl in Deiner Haut?

Falls Du diese Frage für eine Aktie verneinst, dann musst Du diese Aktie verkaufen. Auch wenn Du damit schmerzhafte Verluste realisierst.

Das gehört dazu, kein Investor liegt immer richtig. Das muss auch gar nicht sein, um überdurchschnittliche Renditen zu erzielen.

Der richtige Umgang mit Buchverlusten ist wohl eine der schwierigsten Übungen auf Deinem Weg zu einem nachhaltig erfolgreichen Investor. In einem früheren Beitrag hatte ich als Denkanstoss hierzu meine Rule-of-30 vorgestellt, mit der ich Verlustpositionen im Depot begrenze.

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