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  • Stefan Waldhauser

Sind Aktien nur etwas für Männer? Interview mit Lisa von Aktiengram



Wenn Du meinem High-Growth-Investing-Blog schon etwas länger folgst, dann weisst Du, dass ich hier nichts unversucht lasse, um die im internationalen Vergleich zurückgebliebene Aktienkultur im deutschsprachigen Raum ein kleines bisschen voranzubringen.


Und tatsächlich habe ich seit einiger Zeit das Gefühl, dass sich etwas tut in Sachen Aktienkultur. Die hiesigen Onlinebroker vermelden Rekordzahlen bei den Depot Neueröffnungen und auf den Social Media ist in kürzester Zeit eine bunte und mittlerweile schier unüberschaubare Aktien-Community entstanden.


Als ich meinen High-Growth-Investing Blog in 2017 startete, war ich noch ein Exot mit meinem Faible für US-Technologiewerte. Mittlerweile ist das Investment in Tech-Aktien zum Mainstream auch bei Kleinanlegern geworden und ich bin inzwischen mehr ein Mahner vor überhöhten Bewertungen als ein Evangelist für Aktienkultur.


Man könnte also fast euphorisch werden angesichts des doch deutlich sichtbar wachsenden Pflänzchens Aktienkultur in Deutschland.


Nur eines verstehe ich nicht:


Warum ist die Wunderwelt der Börse eine so extreme Männerdomäne?




Die mittlerweile immerhin 4.000 Follower meines Instagram Accounts sind zu weit mehr als 90% männlich, vorwiegend zwischen 25 und 34 Jahre alt.



Auf dem HGI-Blog zeigt sich das exakt gleiche Bild: mehr als 9 von 10 Lesern sind Männer, oft ebenfalls um die 30 Jahre alt.


Als ich diese für mich in ihrer Deutlichkeit doch sehr überraschende Statistik der Geschlechter kürzlich auf meinem Instagram Account @hightechinvesting zur Diskussion stellte, hat sich Lisa bei mir gemeldet, die ich Euch heute vorstellen möchte.


Lisa ist eine junge Frau mit 29 Jahren, die unter dem Namen @aktiengram seit Anfang 2020 auf ihrem Instagram Account über ihre Aktien-Investments berichtet. Mittlerweile folgen ihr dort weniger als 1 Jahr nach dem Start schon 16.000 sehr engagierte Follower.


Ich habe mit Lisa ein Gespräch geführt, das ich gerne mit Euch teilen möchte:


Stefan: Ich war regelrecht geschockt, dass ich mit den Börsenthemen auf meinem Blog und auch via Instagram fast ausschließlich Männer erreiche. Umso schöner, dass es mit Dir eine junge Frau gibt, die nicht nur leidenschaftliche Hobby-Börsianerin ist, sondern auch noch tausende andere Frauen dafür begeistert. Wie schaffst Du das, was mir offenbar nicht gelingt?


Lisa: Vielen Dank für deine Einladung, Stefan - aber ehrlich gesagt sieht meine Instagram-Statistik gar nicht so viel besser aus - aktuell erreiche ich mit meinem Profil “nur” 20% Frauen und 80% Männer. Kleinere Erfolge gibt es für mich in dem Sinne, dass mich immer mal wieder weibliche Follower per Messenger kontaktieren und dort ihre Fragen stellen - einige konnte ich auch schon motivieren, sich selbst mit den eigenen Finanzen zu beschäftigen und sich für die Börse zu interessieren.


Was tatsächlich auch immer mal vorkommt ist, dass meine männlichen Follower ihre Freundinnen zum Investieren bringen wollen und mich dabei empfehlen – quasi als Beispiel dafür, dass die Börse eben doch keine reine Männerdomäne ist. Das ist für mich immer ein schönes Feedback - aber ich sehe hier noch sehr viel Luft nach oben und hoffe, die Statistik entwickelt sich im Laufe der Zeit in die richtige Richtung.



Stefan: Ich habe auf Deinem Aktiengram Blog gelesen, dass Du schon seit 2011 an der Börse aktiv bist. Wie kommt eine junge Frau mit gerade mal 19 Jahren auf die Idee, Aktien zu kaufen?


Lisa: Während meiner Ausbildung zur Fachinformatikerin in einem börsennotierten Unternehmen hatte ich die Möglichkeit, vergünstigte Mitarbeiter-Aktien zu erwerben - damit war der Startschuss gefallen und mein Depot eröffnet. In dieser Zeit kaufte ich auch noch RWE-Aktien und erhielt so im Folgejahr bereits die ersten Dividenden - das war für mich damals der größte Ansporn, weiter in das Thema einzutauchen.


Über die Jahre habe ich dann immer mehr Interesse entwickelt und auch schon in den ersten Jahren begonnen, mein Geld monatlich über Fonds-Sparpläne zu investieren. Zu der Zeit gab es allerdings weder in meinem privaten Umfeld, noch auf Social Media Personen, mit denen man sich hätte austauschen können und die einem vielleicht den ein oder anderen Fehler erspart hätten. :)


Heute können alle, die neu in die Welt der Börse eintauchen wollen, auf Instagram oder anderen Plattformen zahlreichen guten Kanälen folgen, auf denen sie wertvolle Infos rund ums Investieren erhalten, so dass sie sich sicher einige Zeit und vielleicht auch Fehltritte “sparen” können.


Stefan: Trotz Deiner bereits 9 Jahren Erfahrung hast Du noch keinen echten Bärenmarkt erlebt. Wie bereitest Du Dich auf diese neue Erfahrung vor, die ja irgendwann mal auf Dich zukommen wird?


Lisa: Das stimmt, von einem richtigen Bärenmarkt konnte ich bisher nur lesen. Vor dem Corona-Crash im März diesen Jahres war das Thema Börsencrash für mich ebenso ein Thema, das ich selbst noch nie erlebt hatte. Heute weiß ich: Auch hier hilft es ungemein, dass man Informationen in Form von Büchern, Videos und Interviews mit erfahrenen Börsianern zur Verfügung hat, die einem die Angst etwas nehmen können.


Ein weiterer Aspekt, der mir gedanklich etwas hilft, mich auf diese Situation vorzubereiten ist, dass ich langfristig investiere. Wie uns die Statistiken lehren ist die Börse immer (“wieder”) gestiegen, wenn man nur den Zeitraum lang genug wählt.


Mich interessiert es somit eigentlich weniger, wenn es mal 1-2 Jahre mit einem Bärenmarkt weitergeht – das bietet mir sogar eher die Chance, ausgewählte Aktien zu einem günstigeren Preis aufzustocken.


Stefan: Was ist Deine Anlagestrategie? Wie wählst Du Deine Aktien aus und wann verkaufst Du sie wieder?


Lisa: In meinem Hauptdepot verfolge ich eine klassische Buy & Hold Strategie, die darauf abzielt, mir eine ordentliche Dividende auszuschütten. Hier versuche ich die Aktien überhaupt nicht mehr zu verkaufen, was ehrlicherweise aber nicht immer klappt. Wenn ich von einem Unternehmen oder deren Strategie nicht mehr überzeugt bin oder das Unternehmen sich seit meinem Investment zu sehr gewandelt hat, verkaufe ich auch mal etwas. In meinen kleineren Depots findet sich aber auch der ein oder andere “Hot Stock” und einige in meinen Augen vielversprechende Wachstumskandidaten, insgesamt sind es ca. 80 verschiedene Aktien.


Die Ausrichtung auf Dividenden ist für mich unglaublich motivierend, wenn jeden Monat das Geld aus dem „Nichts“ auf deinem Konto auftaucht. Aber gerade in den letzten Jahren haben die klassischen Value Aktien nicht die beste Rendite erzielt, weshalb ich mit meinen anderen Depots ein wenig dagegen steuere und meinen Investmentstil weiterentwickele.


Stefan: Warum so viele Einzelaktien? Das hört sich ja nach einer breiten Streuung an und nicht gerade nach einem hochkonzentrierten Portfolio. Warum dann nicht gleich ETFs?


Lisa: Zu Beginn meiner Investitionen habe ich mir über die Anzahl der Aktien nicht sonderlich viele Gedanken gemacht - da ich zu 90-95% das “Buy & Hold” Prinzip verfolge, sind es über die Jahre einfach immer mehr Einzelwerte geworden. Gerade in den letzten Monaten sind auch ein paar ausgewählte Branchen- bzw. Länder ETFs zusätzlich in mein Depot gewandert.


Der Grund dafür ist, dass ich mich bis vor 2-3 Jahren noch überhaupt nicht mit ETFs auseinandergesetzt habe. Erst in den letzten 1-2 Jahren sind diese bei mir in den Fokus gerückt und ich habe dort spannende “Investment-Ideen” abgebildet - beispielsweise finden sich inzwischen ein AI & Big Data ETF, sowie ein Gaming-ETF in meinem Portfolio.


Ein weiterer Grund für die Einzelaktien ist natürlich auch der Spaß und das Interesse an der Börse. Es macht mir persönlich einfach mehr Spaß sich mit den Unternehmen selbst auseinander zu setzen, auf Hauptversammlungen zu gehen und die Entwicklung der Unternehmen zu verfolgen.


Die vielen Einzelaktien sind für mich also fast so etwas wie mein eigener ETF, in dem ich alle Positionen eigenhändig ausgewählt habe, wo ich hinter den Unternehmen stehe und zu jeder Hauptversammlung gehen könnte, wenn ich es wollte.


Nichtsdestotrotz empfehle ich Anfängern oder Personen, die nicht zu viel Zeit in die Börse stecken wollen, zunächst mit einem ETF zu beginnen und sich so an den Markt heranzuwagen.


Stefan: Die meisten Privatanleger scheitern an der Börse, weil sie die überaus menschlichen Gefühle Gier und Angst nicht unter Kontrolle haben. Was tust Du gegen die FOMO (Fear Of Missing Out) und die Angst im Crash?

Lisa: Anfang des Jahres im Corona-Crash, als mein Depot mit einem deutlichen Minus vor mir stand, hatte ich die ersten zwei, drei Tage ein sehr mulmiges Gefühl und war mir unsicher. Eine Krise in diesem Ausmaß hatte ich bisher nicht selbst erlebt - und es ist doch immer etwas völlig anderes, wenn man “sein eigenes Geld” dort im Minus sieht als ein Buch darüber zu lesen. Da hatte ich tatsächlich etwas Angst - allerdings hat mir der alte Spruch “solange du nicht verkaufst, hast du noch keinen Verlust gemacht!” irgendwie weiter geholfen.


Zugegeben über den Spruch wird auch heute immer noch mal gestritten, inwieweit er korrekt ist, aber in der Zeit war er ein guter Wegbegleiter und hat sich zumindest in meiner Situation bewährt. Nach ein paar Tagen im Crash konnte ich das Ganze dann als Chance sehen - ich habe zu dieser Zeit Daimler bei 23€ gekauft, in TUI investiert und auch Marriott und einige der anderen angeschlagenen Unternehmen sind im Crash in mein Portfolio gewandert. Stand heute, am 14.11.2020 hat sich dieser Mut zum Kaufen in der Krise bereits sehr gut “bezahlt gemacht”.


Neben den alten Börsenweisheiten hat es mir geholfen, auch einfach mal abzuschalten, nicht jeden Tag ins Depot zu gucken und mich auf andere Dinge zu fokussieren. Als Buy and Hold Investor versuche ich, mögliche Gier und Angst Phasen einfach auszusitzen.


Stefan: Welchen Tipp zum Einstieg hast Du für die Leser, die sich vielleicht jetzt mit dem Gedanken tragen, mit dem Investieren zu beginnen? Hast Du eine Literaturempfehlung?


Lisa: Fang heute an! Eröffne dir ein Depot bei einem Broker deines Vertrauens und starte mit deinem ersten kleinen Investment, selbst wenn es zu Beginn “nur” ein monatlicher 50€-ETF Sparplan ist. Du MUSST dein eigenes Geld investieren, damit du dich wirklich damit beschäftigst - ich bin der Meinung, Dinge wie “Demo-Konten” und Börsenspiele etc. sind nicht allzu hilfreich. Zumindest kenne ich das von mir so, dass ich ein solches Thema dann nicht ernst nehmen würde. An der Börse wird dafür oft der Ausdruck „Skin in the Game“ verwendet.


Zuletzt habe ich das Buch “Börse, leicht verständlich” von Judith Engst gelesen und empfand es als breit gefächert und auch für Anfänger geeignet. Ein bestimmtes Buch, welches mir zu Beginn geholfen hat, kann ich leider nicht nennen, denn ehrlich gesagt habe ich zu Anfang viel im Internet gelesen, sodass ich meine ersten Finanzbücher bereits mit einer gewissen Vorbildung gelesen habe.


Alle Bücher aus dem Bereich Finanzen, die ich gelesen habe, stelle ich auch immer hier auf meinem Aktiengram-Blog vor.


Stefan Waldhauser: Vielen Dank Lisa für diese interessanten Einblicke in Deine Strategie. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg für die Zukunft und gute Nerven in Deinem ersten Bärenmarkt. ;-)


Ich finde es faszinierend, dass Lisa als junge Frau mit nur 29 Jahren schon fast 10 Jahre Börsenerfahrung mit ihrer Community teilt. Hier kannst Du Lisa auf Instagram folgen.


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