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Stefan Waldhauser

Die Bewertung von Technologieaktien - einfach gemacht


Rechenmaschine

Heute komme ich nun endlich dazu, meine Blog-Serie zu den Grundlagen der High-Growth-Investing Anlagestrategie mit dem 3. Teil fortzusetzen. In diesem Beitrag geht es um eine Faustformel zur Berechnung des fairen Wertes einer Tech-Aktie. Diese soll auch dann brauchbar sein, wenn das Unternehmen noch keine Gewinne erwirtschaftet.

Vor einiger Zeit hatte ich diese Serie ja mit den beiden folgenden Beiträgen begonnen:

In meinem ersten Beitrag ging es dabei um den richtigen Einstiegszeitpunkt in eine Technologieaktie. Ich hatte anhand des "Technology Adoption Life Cycle“ beschrieben wie ich versuche, den „Tornado als Signal zum Einstieg“ zu identifizieren. D.h. ich stehe i.d.R. erst dann auf der Käuferseite, wenn eine Technologie die Schwelle zum Massenmarkt überschreitet.

Im zweiten Teil dieser Blog-Serie ging es um eine erste grobe Abschätzung, wie Du das Potential einer Technologieaktie einschätzen kannst. Denn selbstverständlich ist auch bei High-Tech-Unternehmen ein fairer Einkaufspreis wichtig. Ich hatte Euch erklärt, warum man junge Technologieaktien nicht mit den klassischen Methoden der Fundamentalanalyse bewerten kann.

EV/Sales als wichtigste Kennzahl

Und ich hatte in diesem Beitrag bereits darauf hingewiesen wie wichtig es ist, den Begriff des Enterprise Value (EV) zu verstehen. Denn das Verhältnis EV/Sales ist zumindest für mich die wichtigste Kennzahl für junge High-Tech-Unternehmen, die noch nicht profitabel sind.

Aber natürlich sagt diese eine Kennzahl alleine noch relativ wenig aus. Zu wenig jedenfalls, um eine fundierte Einschätzung treffen zu können wie teuer oder billig eine Aktie wirklich ist. Denn zu unterschiedlich sind die Geschäftsmodelle und zu unterschiedlich ist die Wertschöpfung, die aus den unterschiedlichen Modellen resultiert.

Die Gross Margin

Die zweitwichtigste Kennzahl ist für mich daher die sogenannte Gross Margin (Bruttomarge).

Die Gross Margin gibt einen guten Anhaltspunkt für die Profitabilität eines Geschäftsmodell.

Berechnet wird die Gross Margin als prozentualer Anteil des Umsatzes, der nach Abzug der direkten Herstellungskosten beim Unternehmen verbleibt.

Gross Margin (%) = (Umsatz - Direkte Kosten) : Umsatz

Je höher dieser Prozentsatz ist, desto mehr Geld hat ein Unternehmen zur Verfügung, um die anderen indirekten Kosten zu decken für Sales, Marketing, Forschung+Entwicklung sowie Kapital.

Und darüberhinaus sollen ja möglichst attraktive Überschüsse für die Aktionäre übrig bleiben.

Gerade bei den Internetwerten gibt es eklatante Unterschiede in der Gross Margin, die für mich die Qualität eines Geschäftsmodells aufzeigen.

Der Umsatzmix ist entscheidend

Grundsätzlich sollte man bei der Bewertung von Tech-Unternehmen immer den Umsatzmix näher betrachten. Nur wenn man weiß womit eine Company ihre Umsätze realisiert, lässt sich eine Schätzung für ihren fairen Wert ableiten.

Grob solltest Du bei einem IT-Unternehmen die folgenden Umsatzquellen unterscheiden können - ich werde auf die jeweiligen Besonderheiten im Laufe dieses Beitrags noch etwas näher eingehen:

  • Hardwarekomponenten

  • Dienstleistungen (Services)

  • Softwarelizenzverkäufe

  • Support- und Wartungsverträge

  • Softwaresubskriptionen

  • Software as a Service (SaaS) / Cloud-Subskriptionen

Wo das meiste Geld verdient wird

Diese Umsatzquellen unterscheiden sich ganz erheblich von der Profitabilität her. Die höchsten Bruttomargen lassen sich mit Software erzielen. Denn wenn eine Software einmal entwickelt ist, dann fallen in den Folgejahren nur noch geringe Herstellungskosten an für die laufende Wartung und den Support der Software. In diesem Geschäft lassen sich daher Gross Margins von deutlich über 80% erzielen.

Bei Hardware sind die Bruttomargen i.d.R. geringer. Sie sind eher im Bereich zwischen 50% und 70% anzusiedeln für ein profitables und funktionierendes Geschäftsmodell z.B. im Bereich Consumer Electronics. Details dazu gibt’s z.B. hier auf dem Dragon Innovation Blog.

Dienstleistungen sind ein mühsames Geschäft, das wesentlich weniger gut skaliert als das Software-Business. Wenn ein IT-Unternehmen seinen Umsatz mit Dienstleistungen verdoppeln möchte, dann braucht es (bei gleichbleibenden Preisen) eben auch doppelt soviel Leute, um diese Services zu erbringen. Es ist eine grosse Herausforderung, mit einem Dienstleistungsgeschäft Gross Margins von 50% zu erzielen. Viel mehr ist m.E. in den meisten Fällen unrealistisch, oftmals liegen die Brutto-Margen sogar deutlich darunter.

Es ist aufgrund dieser Unterschiede in der Profitabilität daher nur folgerichtig, dass die Softwareumsätze vom Finanzmarkt wesentlich höher bewertet werden als Services oder Hardware. Verschiebt sich der Umsatzmix eines Unternehmens von den Dienstleistungen oder Hardware in Richtung Software, so erfolgt i.d.R. früher oder später eine Neubewertung der Aktie.

Recurring Revenues

In früheren Jahren wurden in der Softwareindustrie vor allem Lizenzen verkauft und zwar oftmals gemeinsam mit einem entsprechenden Softwarepflege- bzw. Wartungsvertrag. Das Problem eines solchen Modells war trotz der hohen Gross Margins die relativ geringe Stabilität des Geschäftsmodells.

Denn gerade bei teurer Enterprise-Software mit entsprechend langen Verkaufszyklen kann das Management nur schwer einschätzen, welche Deals wann zum Abschluss gebracht werden mit entsprechenden Unsicherheiten im Hinblick auf die Quartalsumsätze.

Der Finanzmarkt hasst aber Unsicherheiten und bejubelt daher den Trend hin zu Softwaresubskriptionen, den es nun schon etliche Jahre lang gibt. Praktisch jede Cloud-basierte Software wird heute nach einem solchen Nutzungsmodell bepreist. Der Kunde zahlt hier wie bei einer Miete regelmässig für die Dauer der Nutzung anstatt einmalig eine Softwarelizenz zu kaufen.

D.h. der Lizenzumsatz aus der bestehenden Kundenbasis wird regelmäßig jeden Monat verbucht. Eine Steigerung ergibt sich (bei gleichbleibenden Preisen) durch die im Berichtszeitraum hinzugewonnenen Benutzer, korrigiert wird um die abgewanderten Kunden, die ihren Vertrag gekündigt bzw. nicht verlängert haben.

Kennt man diese Churn-Rate (das ist der Anteil an Kunden, die in einer Periode ihren Vertrag auslaufen lassen) und kann man auf der anderen Seite das Neugeschäft einigermassen einschätzen, dann lassen sich zukünftige hochprofitable Softwareumsätze sehr genau vorhersagen.

Alles klar?

Ich hoffe es ist Dir nun klar geworden, warum die Umsätze von IT-Firmen so unterschiedlich viel wert sind je nach Umsatzmix. Im wesentlichen geht es um das Potential des Geschäftsmodells: wieviel Geld kann man mit diesem Modell zukünftig verdienen und wie stabil und vorhersehbar ist das Business durch wiederkehrende Umsätze (Recurring Revenues).

Wie wird der faire Unternehmenswert berechnet?

Meiner Erfahrung nach wird eine faire Bewertung am Aktienmarkt in etwa durch die folgenden Umsatzmultiple ausgedrückt.

  • Hardwarekomponenten = 2 x Sales

  • Dienstleistungen = 1 x Sales

  • Softwarelizenzverkäufe = 3 x Sales

  • Support- und Wartungsverträge = 3 x Sales

  • Softwaresubskriptionen = 6 x Sales

  • Software as a Service (SaaS) / Cloud-Subskriptionen = 6 x Sales

Natürlich schwanken diese Bewertungen je nach Marktlage, aber im langjährigen Durchschnitt kommt das ganz gut hin denke ich.

Wenn Du also den Umsatzmix eines Unternehmen kennst, dann kannst Du Dir in etwa ausrechnen was der faire Wert sein sollte.

Beispiel

Ein älteres Softwareunternehmen macht insgesamt $100M Umsatz. Davon stammen $15M aus Subskriptionen einer neuen cloud-basierten Software, $45M aus Lizenzverkäufen sowie Wartung eines älteren Software-Produktes und $40M sind Dienstleistungen. Man könnte dann den fairen Unternehmenswert = Enterprise Value abschätzen als $15M*6+$45M*3+$40M*1=$265M.

Ein anderes SaaS-Unternehmen macht ebenfalls $100M Umsatz mit seinen Cloud-Subskriptionen und hat keine nennenswerten anderen Umsatzquellen. Der faire Unternehmenswert beträgt dann also $100M*6=$600M.

Wenn Du diese Werte nun mit den aktuellen Bewertungen der Unternehmen an der Börse vergleichst, so hast Du eine erste Einschätzung darüber, ob eine Aktie billig oder teuer ist...

aber bitte immer darauf achten, dass die Marktkapitalisierung nicht gleich dem Enterprise Value ist, sondern um die Barreserven und Schulden bereinigt werden muss (eine Erläuterung dazu findest Du hier).

Du siehst also an diesen Beispielen, dass je nach Umsatzmix bei gleichem Umsatz völlig andere Bewertungen gerechtfertigt sein können.

Fazit

Natürlich ist das alles nur eine Pi-mal-Daumen-Abschätzung, die viele andere Parameter wie Wachstumsrate, Marktposition, Größe des Marktes, Churn-Rate, Customer Akquisition Costs, etc. nicht berücksichtigt.

Ich kann Dich nur davor warnen, alleine aufgrund einer solch oberflächlichen Abschätzung zu investieren. Dennoch kann Dir diese Faustformel erstaunlich gute Dienste erweisen, wenn es darum geht, schnell die mögliche Über- oder Unterbewertung einer Aktie zu erkennen.

Wenn ich selbst auf diese Weise eine deutliche Unterbewertung vermute, so steigt jedenfalls meine Motivation, mich näher mit dem Unternehmen zu befassen und die Aktie auf meiner Watchlist zu beobachten.

Wenn Du noch mehr über meine Anlagestrategie erfahren willst, dann schau doch mal hier rein.

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