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Stefan Waldhauser

GARP Investing - was ist ein vernünftiger Preis für Growth-Aktien?


Die Technologiebörse NASDAQ hat gerade mitten in der durch das Corona Virus ausgelösten Rezession neue historische Höchststände reicht. Und das obwohl viele Unternehmen entweder ihre Umsatz- und Gewinnerwartungen reduziert haben oder sich derzeit gar nicht in der Lage sehen, eine Guidance für den weiteren Verlauf von 2020 zu geben.

Dennoch gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe dafür, warum Aktien aktuell immer teurer werden. Das ist wohl in erster Linie einer Flucht in die Sachwerte geschuldet, nachdem weltweit von den Zentralbanken immer mehr Geld zur Bewältigung der Corona Krise gedruckt wird.

Die Zinsen werden auf absehbare Zeit niedrig bleiben. Wohin also mit dem vielen Geld, das bisher auf Sparkonten und in festverzinslichen Wertpapieren versauert?

Immer mehr davon fliesst in den Aktienmarkt. Und offenbar hat es sich herumgesprochen, dass viele Tech-Unternehmen zu den Profiteuren der Digitalisierung gehören und zu immer höheren Kursen gehandelt werden. Also überwinden immer mehr Anleger ihre frühere Scheu vor Tech-Aktien und wollen an dem Boom mitverdienen.

Ich habe in den letzten Wochen schon mehrfach meine Sorgen darüber zum Ausdruck gebracht, dass viele Technologieaktien nach der Corona-Rallye jetzt überteuert sind. Aber was bedeutet das genau? Kann man das irgendwie näher spezifizieren?

Was ich unter GARP Investing verstehe

In den USA wird seit einiger Zeit unter dem Stichwort "GARP Investing“ eine Anlagestrategie diskutiert, die Aspekte des klassischen Value Investings mit dem von mir bevorzugten Growth Investing kombiniert.

GARP steht dabei für „Growth At a reasonable Price“.

Es geht dabei also um das Investieren in Wachstumsaktien - aber nur zu einem vernünftigen Preis.

Leider gibt es in der Literatur nur sehr wenige konkrete Hinweise darauf, wie man den „vernünftigen" Preis ermitteln kann, wenn man auch in Unternehmen investieren möchte, die noch nicht profitabel sind.

In einem früheren Artikel zur Bewertung von Technologieaktien hatte ich schon mal eine Pi-mal-Daumenregel dafür angegeben, wie ich die faire Bewertung eines Tech-Unternehmens abschätze:

Zur Erinnerung: Ich betrachte den Umsatzmix eines Unternehmens und bewerte die unterschiedlichen Umsatzströme mit verschiedenen Multiplikatoren:

  • Hardwarekomponenten = 2 x Sales

  • Dienstleistungen = 1 x Sales

  • Softwarelizenzverkäufe = 3 x Sales

  • Support- und Wartungsverträge = 3 x Sales

  • Softwaresubskriptionen = 6 x Sales

  • Software as a Service (SaaS) / Cloud-Subskriptionen = 6 x Sales

Der faire Wert (= Enterprise Value) eines Tech-Unternehmens liegt gemäß dieser Faustformel also zwischen dem einfachen Umsatz bei einem reinen Dienstleistungsgeschäft und dem 6-fachen des Umsatzes bei einem reinrassigen SaaS-Unternehmen.

Diese Multiplen erscheinen Euch mit Blick auf die aktuellen Börsen-Bewertungen wahrscheinlich viel zu gering. Und es ist tatsächlich ein recht konservativer Ansatz der Bewertung. Strategische Käufer zahlen oftmals wesentlich mehr für ein Unternehmen.

Aber die o.g. Multiplikatoren entsprechen tatsächlich in etwa den in den vergangenen Jahrzehnten z.B. von Private Equity Investoren gezahlten Preisen für etablierte Unternehmen, die in einem attraktiven Markt zweistellig wachsen und durchschnittlich profitabel sind.

Natürlich ist das alles nur eine Pi-mal-Daumen-Abschätzung, die viele andere Parameter wie Wachstumsrate, Marktposition, Größe des Marktes, Churn-Rate, Customer Akquisition Costs, etc. sowie Makrodaten wie das Zinsniveau nicht berücksichtigt.

Ein Unternehmen, das mit 40% p.a. wächst, verdient es selbstverständlich zu einem höheren EV/Sales-Verhältnis gehandelt zu werden als ein Unternehmen mit einer 20% Wachstumsrate.

Ein hohes EV/Sales-Verhältnis kann mit rasant wachsenden Umsätzen im Laufe der Zeit relativ schnell auf ein erträgliches Maß absinken. D.h. ein Unternehmen kann, wenn es nachhaltig über Jahre hinaus zügig wächst, auch in eine hohe Bewertung hinein- und darüber hinauswachsen.

Das ist das Grundprinzip des von mir propagierten High-Growth-Investings.

Wir lassen damit die Zeit für uns arbeiten.

Too much is too much

Ich habe grundsätzlich keine Bedenken, auch in Unternehmen zu investieren, die nach herkömmlichen Value Investing - Maßstäben überteuert sind.

Aber was zu viel ist ist zu viel!

In den vergangenen Monaten sind zweistellige EV/Sales-Verhältnisse für ordentliche Wachstumsunternehmen an der Tagesordnung. Für echte High-Growth-Unternehmen mit 40% Wachstum sind sogar EV/Sales Multiple von mehr als 20 oder gar 30 salonfähig geworden.

Wenn Du Deine Tech-Aktien zu solchen Preisen einkaufst, dann musst Du Dir schon sehr sicher sein, dass das rasante Wachstum über etliche Jahre aufrechterhalten werden kann. Das ist in Ausnahmefällen dann möglich, wenn das Unternehmen in einem großen Markt tätig ist und über einen tiefen Burggraben verfügt. Dann kann es u.U. auf Jahre hinaus mit attraktiven Gewinnmargen weiter wachsen, ohne dass es z.B. in Preiskämpfe mit Wettbewerbern verwickelt wird.

In allen anderen Fällen gilt: Technologiemärkte verändern sich rasend schnell und nur weil ein Unternehmen heute einen perfekten Market-Fit hat, so garantiert das nicht, dass sich die atemberaubenden Wachstumsraten in die Zukunft fortschreiben lassen.

Auch bei den High-Flyern von heute wachsen die Bäume nicht in den Himmel.

Priced for Perfection

Es ist wichtig, sich nach Kurssteigerungen immer wieder mal zu vergegenwärtigen, wie hoch jetzt eigentlich der an der Börse aufgerufene Preis für ein Unternehmen insgesamt ist.

Beispiel:

Der Enterprise Value von Zoom Video Communications beträgt bei einem Kurs von 200$ über $50 Mrd.

Stellt sich die Frage wie groß der Markt überhaupt ist, den Zoom seit seinem IPO und dank der Corona-Krise so erfolgreich im Sturm erobert hat. Die Marktstudien, die ich gesehen habe, gehen davon aus, dass der globale Video Conferencing Markt in einigen Jahren ca. 10-20 Mrd. Dollar schwer ist. Das ist dann der jährliche Umsatz, den alle Anbieter unter sich aufteilen.

Zoom Chart

Ich gehe davon aus, dass Zoom in einigen Jahren der Marktführer im Video Conferencing sein wird. Aber selbst wenn Zoom zum Platzhirsch heranreifen und in einigen Jahren $10 Mrd. hochprofitablen Umsatz erwirtschaften sollte, dann wäre das Unternehmen gemäß meiner o.g. Pi-mal-Daumen-Regel (6-facher Umsatz) nicht mehr als ca. $60 Mrd. wert.

Soll heißen: Die Aktie ist heute schon "Priced for Perfection". Ein Halten der Zoom Aktie zu 200$ ist eine reine Spekulation auf eine weitere Übertreibung der Börse nach oben. Oder eine Spekulation darauf, dass es Zoom gelingt, mit seiner Userbasis erfolgreich in ganz andere größere Märkte vorzudringen.

Was ich von Peer Group - Vergleichen halte

Fast schon eine Unsitte finde ich es, dass „Mondpreise“ für Tech-Unternehmen auch von Finanzanalysten damit gerechtfertigt werden, dass vergleichbare Unternehmen (die sogenannte Peer Group) noch teurer sind.

Immer wieder sehe ich vergleichende Zahlenreihen, die ein zweistelliges EV/Sales-Verhältnis attraktiv finden, nur weil die Peers mit vergleichbaren Wachstumsraten noch höhere Multiple aufweisen.

Sorry Leute, aber das ist für mich nicht nachzuvollziehen.

Wenn ich in einen Laden mit völlig überteuerten Produkte gerate, dann kaufe ich ja auch nicht das was mir am wenigsten überteuert erscheint. Dann gehe ich lieber wieder raus aus dem Laden…

Fazit

Dieser Beitrag soll kein Aufruf sein, nun alle Deine Tech-Aktien zu verkaufen. Keine Angst, ich mutiere nun bestimmt nicht zum Crash-Propheten.

Auch ich bin im High-Tech Stock Picking wikifolio nach wie vor zu fast 80% investiert und halte nach einigen Gewinnmitnahmen "nur" gut 20% Cash.

Aber es ist sicherlich keine schlechte Idee, bei den besonders teuer gewordenen SaaS Aktien immer wieder mal Gewinne mitzunehmen. Denn die Börse ist und bleibt keine Einbahnstraße.

Es gibt übrigens durchaus noch interessante Unternehmen, die am Finanzmarkt derzeit unter dem mit der obigen Faustformel errechneten fairen Wert gehandelt werden. Einige davon befinden sich mit hoher Gewichtung in meinem wikifolio.

Wenn Du das Auf und Ab der Technologieaktien in Zukunft regelmäßig gemeinsam mit mir verfolgen willst, dann kannst Du jetzt hier meinen kostenlosen Newsletter abonnieren.


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