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  • Stefan Waldhauser

5 Indikatoren für eine Blasenbildung an den Tech-Börsen



Die Deutschen gelten i.A. als Aktienmuffel. Immer wieder haben die Medien und auch ich auf meinem Blog die mangelhafte Aktienkultur beklagt. Doch nun scheint es so, als haben die Deutschen mitten in der Corona Pandemie nun auf einmal die Aktienanlage und vor allem die Tech-Aktien für sich entdeckt.


Eigentlich ist das eine sehr positive Entwicklung, die ich mir immer gewünscht habe. Beim nähere Hinsehen läuten bei mir jedoch eine ganze Reihe von Alarmglocken.


Denn die folgenden 5 Indikatoren deuten daraufhin, dass ein gefährlicher Herdentrieb mit entsprechender Blasenbildung eingesetzt hat. 


1. Broker mit Rekordzahl an Neukunden

Laut Zahlen der ARD-Börsenredaktion  hat die ING im 1. Halbjahr 2020 weit mehr als 200.000 neue Depots eröffnet. Die Transaktionen haben sich im ersten Halbjahr verdreifacht gegenüber dem Vorjahr Auch die Comdirect hat bis Juni schon 177.000 Neukunden für Wertpapierdepots begrüßt. Das war dort das stärkste Wachstum seit dem Höhepunkt des Neuer-Markt-Booms. Consorsbank und DKB berichten gar von einer Verfünffachung der neuen Depots.

Dieses derart starke Neukundengeschäft der etablierten alteingesessenen Onlinebroker hat mich schon sehr überrascht. Ich hatte eigentlich vermutet, dass gerade die jüngere Generation sich eher den neuen Smartphone-Brokern zuwendet. Trade Republic hatte ja mit seinem schicken und kostengünstigen (aber sehr eingeschränkten) Angebot innerhalb von weniger als 12 Monaten nach dem Start 150.000 Kunden gewonnen. 

In diesem Umfeld sind dann auch etliche neue Broker an den Start gegangen von denen einige vom großen Erfolg überrascht wurden. Beim Smartbroker  (über 20.000 Kunden) mussten Kunden wochenlang auf eine Depoteröffnung warten. Hier findet Ihr einen ernüchternden Smartbroker Erfahrungsbericht  über den Preisbrecher, der in Sachen User Experience nicht ansatzweise so innovativ ist, wie er sich im Marketing darstellt. 


2. IPO-Boom in USA

Die älteren von Euch erinnern sich sicherlich noch an diese Zeit zur Jahrtausendwende am Neuen Markt, als es fast wöchentlich neue Börsengänge  gab und man alleine mit der Zeichnung dieser Aktien  - wenn man einige zugeteilt bekam - oftmals dreistellige Gewinne einfahren konnte. Das ist mittlerweile 20 Jahre her. Wow… wie doch die Zeit vergeht.

Ähnlich fühle ich mich aktuell  als Beobachter der jüngsten Tech IPOs an den US Börsen. Insgesamt gab es in 2020 bisher 73 Börsengänge, diese Zahl alleine ist noch nicht außergewöhnlich. Aber die Newcomer-Aktien haben sich im Schnitt seit dem IPOs laut den Daten von IPOScoop  um 46,5% verteuert. 

Betrachtet man die für mich besonders interessanten Technologiewerte, dann gab es in den vergangenen Wochen noch wesentlich atemberaubende Zeichnungsgewinne für die Glücklichen, denen diese Aktien zum Ausgabepreis zugeteilt wurden: Der Twilio-Wettbewerber Agora  legte um +133% zu, der  Online-Versicherer Lemonade  stieg gar um +173% und der Bankensoftware-Anbieter nCino  um +120%

Diese drei Unternehmen halte ich allesamt für interessant, aber die Aktien sind mir derzeit kurz nach dem IPO viel zu teuer. Mal abwarten wie es nach dem Ende der LockUp-Frist in einigen Monaten aussieht, wenn sich Altaktionäre von ihren Aktien trennen dürfen. 


Allerdings gibt es einen großen Unterschied der Situation heute gegenüber der Jahrtausendwende: etliche der Internet-Firmen, die im damaligen IPO-Hype an den Neuen Markt in Deutschland oder an die Nasdaq in USA  gespült wurden, hatten gar kein funktionierendes Geschäftsmodell und lebten ausschliesslich von der Internet-Phantasie. 

Das ist heute zumindest im Software—Bereich anders: Eine SaaS Firma muss i.d.R. einen Umsatz von $100 Mio. und ein mindestens 30% organisches Wachstum vorweisen, um es an die US-Börse zu schaffen. Zumindest war das in den vergangenen Jahren so. Wer diese hohen Hürden meistert, dem winken derzeit extrem hohe Bewertungen und Kurssprünge direkt nach dem IPO. 

Diese Situation ermutigt natürlich immer mehr Firmen dazu, jetzt den IPO-Schritt zu wagen. Ich bin gespannt, ob mit zunehmender IPO-Euphorie die Bereitschaft der Banken, auch mittelmäßige Unternehmen an die Börse zu begleiten, wieder zunimmt. Mal sehen wie lange dieses IPO-Window so weit offen bleibt wie jetzt. 


3. Hype um Wasserstoff-Aktien

Mittlerweile taugt auch die wikifolio- Plattform ganz gut, um mögliche Euphorie bei den Anlegern und Hypes zu erkennen. Innerhalb von nur zwei Jahren nach dem Start  haben dort - angetrieben von explodierenden Kursen der Wasserstoffaktien - gleich zwei wikifolios zum Wasserstoff-Thema führende Positionen eingenommen was das investierte Kapital angeht. 


Tausende von Anleger haben in diese Zertifikate inzwischen €27 Mio. investiert. Medien wie „Der Aktionär“ befeuern den Hype mit fast täglichen Berichten.  Jede kleine Nachricht über einen neuen Auftrag dieser Unternehmen löst neue Kurssprünge aus. Anleger, die den Wahn am Neuen Markt miterlebt haben, erkennen spätestens jetzt: die Geschichte wiederholt sich doch.



Ich selbst bin jetzt schon etliche Male danach gefragt worden, warum ich denn die wichtigen Trends rund um Wasserstofftechnologie und Brennstoffzellen bisher komplett ignoriert habe in meinem eigenen High-Tech Stock Picking wikifolio


Habe ich einen wichtigen Tech-Trend verschlafen? 


Zur Antwort möchte ich gerne auf meinen Anlagestrategie-Beitrag zum Thema „Der Tornado als Signal zum Einstieg“  verweisen. Dort erkläre ich, warum ich mich generell von Hype-Themen fern halte und gemäß der Lehre des "Technology Adoption Life Cycles" von Geoffrey Moore erst dann einsteige, wenn eine Technologie an der Schwelle zum Massenmarkt steht.

Um es klar zu sagen: Etliche der derzeit von Kleinanlegern favorisierten Wasserstoffaktien sind nicht nur überteuert, sondern gehören m.E. noch gar nicht an die Börse. Unternehmen, die bisher kaum Umsatz machen, aber an zukunftsträchtigen Technologien forschen sollten eher von Venture Capital Unternehmen als von Privatanlegern finanziert werden. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Beitrag.

4. "BILD“-Zeitungs-Indikator

Wenn schon die BILD in ihren bekannt großen Lettern dazu aufruft, unbedingt Facebook Aktien zu kaufen (was gar nicht mal dumm ist), dann läuten bei mir alle Alarmglocken. Denn solche mediale Aufmerksamkeit verstärkt natürlich den Herdentrieb, der zweifellos in den vergangenen Corona-Monaten eingesetzt hat.

Auch ich werde in meinem Freundes- und Bekanntenkreis jetzt verstärkt darauf angesprochen, dass ich als Aktienprofi doch einen heißen Tip für sie parat haben müsste.


Solche Fragen höre ich ausgerechnet von Leuten, die vor einem halben Jahr noch gar kein Depot hatten. Viele haben in den vergangenen Monaten bei ihren ersten Gehversuchen am Finanzmarkt  gutes und vor allem leichtes Geld verdient und fühlen sich jetzt großartig. Warnende Stimmen will kaum einer hören. Selbst das Wirecard-Desaster ist für diejenigen, die nicht selbst betroffen waren, fast schon wieder vergessen. 



Und selbst für die Wirecard-Geschädigten hat mittlerweile auch die „Bild“ die passenden Ratschläge. 

5. Der Tesla-Wahnsinn

Kein anderer beherrscht das Spiel mit den Kleinanlegern so wie Elon Musk. Wie Bloomberg  berichtete, kauften am vergangenen Montag alleine beim US-amerikanischen Onlinebroker Robinhood innerhalb von nur 4 Stunden 40.000 Anleger Tesla-Aktien für ihr Depot. 


Mode-Aktien wie Tesla haben sich auch durch eine derartige nie zuvor gekannte Nachfrage seitens der Kleinanleger  mittlerweile völlig von ihrem fundamentalen Wert gelöst.


Das sieht übrigens sogar Elon Musk so, schon am 1. Mai hat er via Twitter persönlich darauf hingewiesen. 

Die Anleger interessiert das wenig, Hauptsache die Tesla-Aktie steigt weiter…  

Zum Zeitpunkt dieses Tweets von Elon Musk stand der Kurs der Tesla Aktie bei 700$, heute wird mehr als das doppelte dafür bezahlt.


Ich selbst sehe den fairen Wert der Tesla Aktie bei max. 500$.


Fazit

Es ist erfreulich, dass die Aktienanlage im Corona-Jahr 2020 offenbar auch in Deutschland wesentlich an Bedeutung gewinnt. Und ich freue mich für alle Jung-Aktionäre, die in den letzten Monaten viel Freude an ihren Aktien hatten.  


Aber viele unerfahrene Anleger - auch hier unter Euch Lesern - haben eine längere Abwärtsbewegung an der Börse noch nie erlebt. 

Ich kann Euch nur dazu ermuntern, die Gier und den Herdentrieb in den aktuell überaus positiven Börsenzeiten auszuschalten und Euch von Hypes aller Art fernzuhalten. Denn die Börse ist keine Einbahnstraße und definitiv kein Ort, um schnell reich zu werden.


Mittlerweile deutet vieles darauf hin, dass wir in einzelnen Märkten bzw. Aktien derzeit durchaus eine Blasenbildung sehen. Und aus jeder Blase muss früher oder später die Luft entweichen.

Hier hatte ich in einem früheren Beitrag schon mal erläutert, wie Du den schwierigen Kampf gegen den Herdentrieb an der Börse  gewinnen kannst.

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