Mein verfrühter WBD Verkauf – Warum ich mich nicht über entgangene Gewinne ärgere
- Stefan Waldhauser

- vor 19 Minuten
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Bereits vor einigen Wochen habe ich mein Investment in Warner Bros. Discovery (WBD) – durchaus erfolgreich - abgeschlossen. Wie in meinem letzten Beitrag (jetzt ohne Paywall auf Substack verfügbar) angekündigt, habe ich am 19. November meine stattliche Position (ca. 10 % Depotanteil) mit knapp dreistelligen Gewinnen komplett verkauft, nachdem der Fair Value von 24 $ erreicht war.
Diesen Wert für die WBD Aktie hatte ich in meiner Sum-of-the-Parts Analyse Ende August in dem folgenden Beitrag (jetzt ohne Paywall auf Substack) errechnet – kurz bevor Paramount ein Angebot zu ebendiesem Preis unterbreitete, das von David Zaslav und Co. bekanntlich abgelehnt wurde.
Ich habe mich kurzfristig dazu entschieden, hiermit doch noch einen kleinen abschließenden Post-Mortem Kommentar zur Warners Bros. Discovery Aktie zu schreiben. Denn der Bieterkampf, der sich vor unseren Augen abspielt, ist einerseits für die Noch-Aktionäre sehr spannend, andererseits kann man daraus völlig unabhängig vom konkreten Investment Case einiges für das eigene Verhalten als Investor lernen.
Habe ich mit meinem WBD Verkauf einen teuren Fehler begangen?
In den vergangenen Tagen wurde ich mehrfach gefragt, ob ich mich ärgere, einen Fehler begangen zu haben, als ich meine WBD Aktien zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkaufte – ausgerechnet wenige Tage vor der Bekanntgabe der beabsichtigten Netflix-Übernahme am 5. Dezember und dem darauffolgenden feindlichen Übernahmeangebot durch Paramount am 8. Dezember, die volle 30 $ pro WBD Aktie in bar anbieten.
D.h. tatsächlich habe ich durch meinen zu frühen Exit weitere 25 % an Kursgewinn verpasst.

Aber war das wirklich ein Fehler?
Zunächst einmal war mein Verkauf einfach die konsequente Umsetzung meiner Exit-Strategie - zur Erinnerung:
"Ja, ich glaube wirklich, dass es in den kommenden Wochen zu einem Bieterkampf um WBD kommen könnte. Natürlich könnte man spekulieren, dass der Preis am Ende eines solchen Kampfs 30 Dollar erreichen wird. Das halte ich nicht für unwahrscheinlich. Dennoch verhalte ich mich jetzt anders. Nach mehr als drei Jahren bin ich froh, dass sich meine Investition endlich ausgezahlt hat. Ich würde tatsächlich mit einem Gewinn im dreistelligen Bereich verkaufen, sobald der von mir berechnete faire Preis von 24 bis 25 Dollar pro WBD Aktie erreicht ist." - Stefan Waldhauser, 24. Oktober 2025
Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch dazu, dass ich das Netflix-Management seinerzeit falsch eingeschätzt habe.
"Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass Netflix ein Angebot zu einem strategischen Preis macht, für recht gering." - Stefan Waldhauser, 24. Oktober 2025
Bis heute fällt es mir schwer zu verstehen, warum Netflix bereit ist, einen derart hohen Preis für Warner Bros. zu zahlen. Denn vergessen wir nicht, dass Netflix für ca. 27,75 $ pro Aktie bzw. einen Enterprise Value von fast 83 Mrd. $ ja nicht einmal den gesamten WBD-Konzern übernehmen würde, sondern „nur” die Streaming- und Studioaktivitäten.
Ein wahrhaft strategischer Preis als Auswuchs des AI-Hypes
Zur Erinnerung: In meiner Sum-of-the-Parts Analyse hatte ich für das Warner-Bros.-Business auf Basis des Ertragspotenzials einen Enterprise Value von knapp 58,5 Mrd. $ errechnet. Dabei war ich von einem EBITDA-Multiple von 13 und einem EBITDA von 4,5 Mrd. $ ausgegangen.
Die doppelt so hohe Bewertung, die Netflix nun anbietet (EBITDA-Multiple von 27,5 bei einer EBITDA-Erwartung von nur 3 Mrd. $ für 2026), kann man nur dadurch rechtfertigen, dass milliardenschwere Synergien gehoben werden sollen.
Das bedeutet nichts anderes, als dass riesige Kostensenkungsprogramme aufgelegt werden (sprich: Entlassung von Tausenden Mitarbeitern), in der Annahme, dass im KI-Zeitalter das große Potenzial der Warner-Content-Bibliothek genauso erfolgreich mit viel weniger Personal monetarisiert werden kann.
Als stolzer Besitzer eines hochwertigen Heimkinos graut es mir ehrlich gesagt schon bei dem Gedanken, dass die Drehbücher künftiger D.C.-Filme oder HBO-Serien von KI geschrieben und die Filme mit KI-Avataren der Hollywood-Stars ohne aufwendige Dreharbeiten an echten Drehorten, sondern durch Nvidia-GPUs in einem CoreWeave-Rechenzentrum generiert werden sollen.
Aber nur bei der erfolgreichen Umsetzung einer solchen KI-Zukunftsvision dürfte sich die Übernahme zu diesem strategischen Preis für die Netflix Aktionäre wirklich rechnen. Für mich ist dieses Angebot für Warner Bros. zu diesem Preis daher ein weiterer Auswuchs des KI-Hypes, in dem wir uns befinden. Dieser Hype hat nun also auch die Medienindustrie erfasst und führt aktuell zu den überteuerten Angeboten von Netflix und Paramount für die ikonischen Franchises von Warner Bros.
Skepsis bei Netflix ist angebracht
Ich bin davon überzeugt, dass sich die menschlichen Konsumenten nicht dauerhaft von dieser neuen Art des Storytellings begeistern lassen werden, selbst wenn Gen AI in einigen Jahren tatsächlich die Technologie liefern sollte, um Filme in handwerklich einwandfreier Qualität zu generieren. Daher wird die optimistische Rechnung, die Netflix jetzt für die entstehenden milliardenschweren Synergien aufmacht, nicht aufgehen. Die Produktion erstklassiger Unterhaltung, wie Warner Bros. und HBO sie seit Jahrzehnten betreiben, wird auch zukünftig ein personalintensives Geschäft bleiben, wenn auch KI-unterstützt.

Der Finanzmarkt sieht die Übernahme zu diesem Preis offenbar genauso skeptisch wie ich: Er hat die Netflix Aktie nach der Ankündigung weiter auf Talfahrt geschickt. Im letzten Monat hat die Aktie fast 20 % verloren, seit den Höchstständen zur Jahresmitte beträgt die Korrektur bereits fast 30 %. Das heißt, die Marktkapitalisierung ist von über 560 Mrd. $ auf aktuell "nur" noch 430 Mrd. $ gesunken.
Um die Übernahme zu finanzieren, muss Netflix viel Schulden machen. Konkret ist die Rede von einer langfristigen Fremdfinanzierung in Höhe von 50 Mrd. $. Dem gegenüber steht ein mittlerweile auf 9 Mrd. $ gestiegener Free Cashflow (vor der Übernahme).
Damit gehört die bisherige bärenstarke Bilanz von Netflix nach Abschluss der Übernahme der Vergangenheit an. Ob die Schulden in den kommenden Jahren problemlos zurückgezahlt werden können, hängt davon ab, ob die Cash-Generierung im Gesamtkonzern wirklich so funktioniert, wie im M&A-Playbook vorgegeben.
Ich würde nicht darauf wetten. Wenn ich Netflix Aktionär wäre, würde ich mich jetzt, trotz der mittlerweile gesunkenen Bewertung, sicherlich noch weniger wohlfühlen als vor Beginn der Übernahmeschlacht. Welchen Grund sollte es für die Investorengemeinschaft in Zukunft geben, dem zukünftigen Netflix-Konzern inklusive Warner Bros. eine derartige Premium-Bewertung zuzugestehen wie in der Vergangenheit?
Auch nach dem deutlichen Kursrückgang wird die Netflix Aktie aktuell immer noch mit einem Free-Cashflow-Multiple von annähernd 50 bezahlt. Das passt einfach nicht zu einem Wachstumsprofil mit 10–15 % Wachstum p. a. und einer FCF-Marge von ca. 20 %.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, warum das bisher für seine konservative Kapitalallokation bekannte Netflix-Management plötzlich derartige Risiken eingeht. Ist diese Übernahme wirklich so dringend nötig, weil nach dem Passwort-Crackdown und der Einführung von werbefinanzierten Abos die Ideen für organisches Wachstum ausgehen? Meine These ist, dass man intern tatsächlich das Risiko sah, dass sich das organische Wachstum ab 2026 deutlich verlangsamen und in den einstelligen Bereich abrutschen könnte, was enorme Risiken für den hohen Aktienkurs bedeuten würde. Durch die Übernahme kann man dieser Diskussion um abflachendes Wachstum jetzt natürlich entgehen.
Allerdings gibt es auch das nicht unbeträchtliche Risiko, dass die Wettbewerbsbehörden in den USA die Übernahme von WBD durch Netflix nach langwierigen Verhandlungen letztlich blockieren werden. Für den erfolgreichen Abschluss des Deals wird es sicherlich auch das Wohlwollen von Donald Trump benötigen. Der will vor allem sicherstellen, dass CNN auf jeden Fall mitverkauft wird und ein anderes, weniger regimekritisches Management bekommt.
Das derzeitige Netflix Angebot beinhaltet jedoch nicht die Übernahme von CNN, d.h., hier gilt es, einen weiteren Stolperstein aus dem Weg zu räumen. Wie auch immer: In jedem Fall wird in den nächsten 12 bis 18 Monaten ein großer Teil der Energie des Netflix Managements darauf verwendet werden müssen, diesen M&A-Deal erfolgreich abzuschließen. Andere Initiativen müssen da wohl oder übel hinten anstehen. Und der letztendliche Erfolg ist fraglich.
Ist das alles nur ein Bluff?
Aus meiner Sicht klingen die Rahmenbedingungen und der Preis dieses Deals zusammengenommen sehr unvorteilhaft für Netflix. Man könnte fast glauben, das Netflix Management möchte mit seinem Angebot lediglich die Übernahme von WBD durch Paramount verteuern und damit das Entstehen eines neuen starken Wettbewerbers verzögern.
Ist es möglich, dass Netflix selbst gar nicht unbedingt damit rechnet, dass es zu einem erfolgreichen Abschluss kommt?
Gegen diese These spricht die außergewöhnlich hohe Reverse Break-up-Fee von 5,8 Mrd. $, die Netflix an WBD zahlen müsste, wenn die Transaktion aus von WBD nicht zu vertretenden Gründen, wie dem Scheitern an den Wettbewerbsbehörden, nicht zustande kommen sollte. Das ist auch für Netflix viel Geld und entspricht mehr als 50 % des jährlichen Free Cashflows.
Doch letztendlich ist das alles reine Spekulation. Auch ich kann nicht seriös beurteilen, welche wahren Beweggründe hinter dem Netflix Angebot stecken und wie es letztlich ausgehen wird. Ich wage nicht einmal vorherzusagen, ob Netflix oder Paramount mit ihrem Angebot erfolgreich sein werden oder ob es aus regulatorischen Gründen zu einer anderen Zerschlagung des heutigen WBD Konzerns kommt.
Ich wage jedoch zu prophezeien, dass weder Netflix noch Paramount mit diesem Deal nachhaltigen Shareholder Value schaffen werden – unabhängig vom Ausgang dieser Bieterschlacht.
Daher meinen Glückwunsch an alle Noch-WBD-Aktionäre, die bis zum heutigen Zeitpunkt durchgehalten haben und ihre Aktien nun für ca. 30 USD verkaufen können. Aus meiner Sicht gibt es für fundamental orientierte Investoren keinen guten Grund, jetzt noch weiter an den Aktien festzuhalten. Alles, was jetzt noch an höheren Angeboten kommt, ist pure Übertreibung nach oben, getrieben von FOMO seitens der Akteure, aber auch angeheizt von kurzfristigen Spekulanten.
Wie ich zu den entgangenen Gewinnen stehe?
Bleibt die Frage, ob ich mich ärgere, zu früh verkauft zu haben und damit noch höhere Gewinne verpasst habe. Tatsächlich wäre meine WBD-Position, die ich vor wenigen Wochen mit gut 100 % Gewinn verkaufte (durchschnittlicher Kaufpreis 12 $, Verkaufspreis 24 $), jetzt (fiktiver Verkaufspreis 30 $) schon mehr als 150 % im Plus.
Das wären also 50 % mehr Gewinn, könnte man denken. Aber das ist die falsche Denkweise. Vom Zeitpunkt meines Exits aus gesehen hätte ich kurzfristig weitere 25 % erzielen können (von 24 $ bis 30 $), nicht mehr und nicht weniger.
Verpasste Gewinne sind vor allem für unerfahrene Anleger ein Grund zur Frustration. Vielleicht liegt das an meiner Erfahrung (oder an meinem fortgeschrittenen Alter?), aber ich kenne diesen Ärger nicht. Als erfahrener Investor lernt man mit der Zeit, Gewinne zu realisieren. Die Hoffnung auf immer weiter steigende Kurse war noch nie ein guter Ratgeber. Meine grundlegenden Gedanken zu meiner value-basierten Exit-Strategie kann man hier in meinem kostenlosen E-Book nachlesen.
Bitte berücksichtigt bei der Entscheidung über einen möglichen Exit immer auch die Überlegung, ob die finanziellen Mittel, die ihr durch einen Verkauf freisetzen würdet, nicht anderweitig besser investiert wären.
In den vergangenen Monaten erkannte ich gleich bei drei Unternehmen die Gelegenheit zum Einstieg. Für meine Verhältnisse ist das ungewöhnlich viel Bewegung im Depot. Hier könnt ihr die Investment Cases zu UiPath, Elastic und Upwork nachlesen:

UiPath Aktie: Ein weiterer "Fallen Angel" neu in meinem Portfolio

Elastic Aktie - Warum ich erneut investiere

Upwork Aktie: Warum ich jetzt einsteige
Im Falle von Upwork und UiPath war dieser Einstieg sehr gut getimt, denn meine Einstiegspositionen liegen nach einem bzw. drei Monaten bereits 20 % bzw. 50 % im Plus. Diese Buchgewinne könnte ich gedanklich durchaus gegen die entgangenen Gewinne mit der WBD-Aktie aufrechnen. Und das Schönste daran ist, dass diese Kursgewinne fundamental durchaus gerechtfertigt sind, während weitere Gewinne mit einer heute mehr als fair bewerteten WBD-Aktie auf tönernen Füßen stehen.
Mindestens genauso wichtig wie das Freisetzen von Kapital für neue Investitionen ist das Nachdenken über das eventuell sinnvolle Aufstocken von Investitionen, falls sich der Kurs einiger Aktien im Depot trotz guter fundamentaler Entwicklung in die falsche Richtung entwickelt haben sollte.
So habe ich im Oktober/November meine Positionen bei Angi und IAC zu günstigen Kursen weiter aufgestockt, nachdem diese Aktien unter Verkaufsdruck geraten waren. Seitdem hat sich der Wind gedreht: Angi hat sich in den vergangenen Wochen seit den Tiefstpreisen um 30 % erholt und IAC um 20 %.
Bei einem solchen Rückblick auf meinen WBD-Investment-Case sollte ich nicht vergessen, dass auch bei WBD mein hübscher dreistelliger Gewinn nur dadurch zustande kam, dass ich anderweitig Mittel freigesetzt hatte, um die WBD-Aktie beherzt nachzukaufen, als kaum ein Investor sie anfassen wollte.
Erinnern wir uns: Die Aktie war noch im April 2025 für unter 8 $ zu haben, meine eigene WBD-Position lag damals 30 % im Minus. Das Nachkaufen bzw. Verbilligen war damals eine genauso wichtige wie richtige Entscheidung, die den Weg zu einem sehr erfolgreichen Exit bereitete. Daher freue ich mich jetzt einfach über den gelungenen Investment Case. Ärger über entgangene Gewinne sind unangebrachte negative Gedanken, die ich gar nicht erst zulasse.
Fazit
Entgangene Gewinne nach Abschluss eines Investments gehören zum Investorenleben einfach dazu. Darüber solltet ihr euch grundsätzlich nicht ärgern, sofern ihr eine fundierte Entscheidung getroffen habt und es gute Gründe für den Ausstieg gab.
Bitte berücksichtigt bei der Entscheidung über einen möglichen Exit auch immer, ob die freiwerdenden Mittel nicht anderweitig aussichtsreicher angelegt werden könnten. Das kann über spannende Neuengagements oder das Aufstocken eurer High-Conviction-Positionen geschehen – aber bitte nur, wenn ihr von einer Unterbewertung felsenfest überzeugt seid.
*Disclaimer: Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Upwork, Elastic und UiPath. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.












